„Anspannungs“-Verpflichtung eines studierenden Vaters

Juni 2018


Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) hat ein Unterhaltsschuldner alle Kräfte „anzuspannen“, um seiner Verpflichtung zur Leistung des Unterhalts nachkommen zu können; er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines Könnens, so gut wie möglich einsetzen und zumutbare Bemühungen zur Erlangung öffentlich-rechtlicher Unterhaltsleistungen anstellen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit bzw. Antragstellung hätte erzielen können, sofern ihn ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt.

Einer kürzlich vom OGH entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die im Frühjahr 2011 außerehelich geborene Minderjährige befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter, der auch die alleinige Obsorge zukommt. Der Vater leistete ab der Geburt des Kindes einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von € 100,-; beginnend mit Februar 2017 erhöhte er diesen auf € 200,- monatlich.

Der 1987 geborene Vater studierte von Oktober 2009 bis September 2014 an einer deutschen Universität. Nachdem er bei einer seiner letzten Prüfungen endgültig scheiterte, wurde er Ende September 2014 exmatrikuliert. Im Oktober 2015 nahm er an einer anderen deutschen Universität ein neues Studium auf. Neben seinem Studium ging und geht er keiner Beschäftigung nach. Er verfügt bisher über keine abgeschlossene Berufsausbildung und ist einkommens- und vermögenslos.

Die Minderjährige begehrte, den Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von € 320,- rückwirkend ab Dezember 2013 zu verpflichten.

Der OGH führt in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass Beurteilungsmaßstab für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen das Verhalten eines pflichtgetreuen Elternteils ist. Es sei zu prüfen, wie sich ein solcher in der Situation des Unterhaltspflichtigen verhalten würde. Betreibt der Unterhaltspflichtige bereits bei Entstehen der Unterhaltspflicht ein Studium, so sei der Studienabschluss abzuwarten, solange er zielstrebig und erfolgreich studiert. Jedoch hätte spätestens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Vater in seinem Erststudium endgültig scheiterte, ein pflichtbewusster Vater sich aber jedenfalls unverzüglich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht, statt nach einer knapp einjährigen Pause ein neues Universitätsstudium zu beginnen. Wenngleich die Rechtssache noch nicht entscheidungsreif ist und zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, steht fest, dass der Vater spätestens ab dem Zeitpunkt des Scheiterns des Erststudiums jenen Unterhalt bezahlen muss, welchen er bezahlen müsste, wenn er einer Erwerbstätigkeit nachgehen würde.