Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivileges bei Verletzung eines Grundwehrdieners?

Arbeitsrecht
Mai 2022

Gemäß § 333 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) haftet der Dienstgeber bei Körperverletzungen aus Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten dem Dienstnehmer gegenüber nur dann, wenn der Dienstgeber den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich herbeigeführt hat (sog. „Dienstgeberhaftungsprivileg“).

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger wurde am 19.08.2019 als Grundwehrdiener beim österreichischen Bundesheer dadurch schwer verletzt, dass ihm ein damaliger Vorgesetzter, im Glauben, seine Dienstwaffe sei nicht geladen, irrtümlich in den Oberschenkel schoss. Der Vorgesetzte wurde deshalb strafrechtlich verurteilt.

Der Kläger begehrte aufgrund dieser Körperverletzung im Wege der Amtshaftung Schadenersatz vom Bund als Rechtsträger des Bundesheeres sowie die Feststellung der Haftung für alle aus dem Unfall resultierenden Spät- und Dauerfolgen.

Der beklagte Bund hielt dem Klagebegehren entgegen, dass der Bund als Dienstgeber nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei, sofern der Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht wurde.

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht haben dem Klagebegehren mangels Anwendbarkeit des Dienstgeberhaftungsprivileges stattgegeben.

Der OGH führte in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass bereits in mehreren Entscheidungen Amtshaftungsansprüche von im Dienst verletzten Soldaten (insbesondere von Grundwehrdienern) beurteilt worden seien, ohne dabei auf das Haftungsprivileg des § 333 ASVG einzugehen. Nach herrschender Ansicht in der Literatur könne sich der Bund bei Dienstunfällen von Präsenzdienern nicht auf § 333 ASVG berufen, allerdings sei bislang das (mit 01.07.2016 in Kraft getretene) Heeresentschädigungsgesetz (HEG) dabei noch nicht berücksichtigt worden.

Ausgehend vom – sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden – Zweck des HEG, eine Verwaltungsvereinfachung herbeizuführen, könne nach Ansicht des OGH allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber des HEG eine Haftungsbeschränkung des Bundes als Rechtsträger des Österreichischen Bundesheers für Amtshaftungsansprüche geschädigter Präsenzdiener (sowie anderer nach dem HEG anspruchsberechtigter Personen) vorsehen wollte. Wäre dies beabsichtigt gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche Haftungseinschränkung unmissverständlich angeordnet wird.

Da sich durch das HEG auch an der fehlenden Dienstnehmereigenschaft von Präsenzdienern, die in einer ausschließlich öffentlich-rechtlichen Beziehung zum Bund stehen, nichts geändert habe, sei nicht ersichtlich, warum die bisherige Rechtsprechung, nach der die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG aus diesem Grund auf Amtshaftungsansprüche eines Präsenzdieners nicht anzuwenden ist, nicht auch zur Rechtslage nach dem HEG fortgeschrieben werden sollte. Die Haftung des Bundes für die Schäden des Klägers wurde daher zu Recht bejaht.