Arbeitsunfall auf Weg zu Restaurant während Wartezeit?

Arbeitsrecht
November 2020

Der Versicherungsschutz aus der gesetzlichen Unfallversicherung besteht nur für Arbeitsunfälle. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei einem Unfall um einen Arbeitsunfall, wenn er sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet hat.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war als Mietwagenfahrer beschäftigt. Am 16.10.2017 fuhr er mit dem Nachtzug um 19:23 Uhr von Wien nach Mailand, wo er gegen 9:10 Uhr am folgenden Tag ankam. Er begab sich zu einem Parkplatz, wo ein Mietwagen parkte und fuhr mit diesem zu einer Tankstelle, um ihn zu reinigen und zu betanken. In der Folge übergab er dieses Mietauto einer Kundin in einem Hotel. Im Anschluss daran begab sich der Kläger zum Hauptbahnhof Mailand. Er hatte noch kein Rückfahrticket und erkundigte sich um ca. 14:00 Uhr am Hauptbahnhof nach dem nächsten Zug nach Wien. Er erhielt die Auskunft, dass der nächste direkte Zug erst um 19:00 Uhr fahre. Der Kläger wollte bis zur Abfahrt des Zuges um 19:00 Uhr etwas essen, weil er an diesem Tag noch nichts gegessen hatte. Er rief einen Freund an, der ihm ein Restaurant in einer Entfernung von ca. 2 Kilometern vom Hauptbahnhof empfahl, weil der Besitzer des Lokals ebenfalls arabisch spreche. Der Kläger fuhr vom Hauptbahnhof mit der Straßenbahn einige Stationen dorthin, stieg aus und wurde um ca. 14:30 Uhr auf einem Schutzweg von einem Auto erfasst und verletzt. Am Hauptbahnhof Mailand gibt es ausreichend Versorgungsmöglichkeiten, um Speisen zu kaufen bzw. oder in einem Lokal zu essen. Der Kläger hatte im Jahr 2015 eine Magenbypassoperation und soll seither nur gekochte und fettarme Speisen zu sich nehmen.

Der OGH entschied, dass die eigentliche betriebliche Tätigkeit des Klägers auf der Dienstreise – die Überstellung eines Dienstwagens – zum Zeitpunkt des Unfalls bereits abgeschlossen war. Daher habe der Weg des Klägers zu dem ihm empfohlenen Restaurant nicht mehr den eigentlichen Zwecken der Dienstreise entsprochen. Darüber sei der Unfall des Klägers nicht auf ortsbedingte und nicht alltägliche atypische Gefahren (z.B. extrem vernachlässigte Sanitärräume oder frisch gewachste oder defekte Treppen in einem Hotel) zurückzuführen, die sich von der auch sonst gegebenen Alltagsgefahr privater Verrichtungen an selbst gewählten Orten deutlich abheben würden. Der Kläger sei auch nicht unter einem (besonderen, betrieblich bedingten) Zeitdruck gestanden. Auch die behauptete fehlende Ortskenntnis, die fehlende Kenntnis der italienischen Sprache und die Notwendigkeit der Einhaltung einer Diät würden keine betrieblichen Umstände darstellen, die eine wesentliche Bedingung für die Essenseinnahme gewesen wären. Für den Unfall bestehe daher kein Versicherungsschutz und liegt demnach kein Arbeitsunfall vor.