Auflösung eines Lehrverhältnisses während der Probezeit via WhatsApp

Arbeitsrecht
Mai 2019


Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die als Gastronomiefachfrau auszubildende Klägerin war von 15.09 bis 21.10.2017 bei der Beklagten beschäftigt. Am 21.10.2017 wurde der Klägerin, welche sich gerade im Krankenstand befand, von der Beklagten über eine WhatsApp-Nachricht mitgeteilt, dass das Lehrverhältnis mit dem heutigen Tage in der Probezeit endet.

Die Klägerin war der Ansicht, dass die Beendigung des Lehrverhältnisses über WhatsApp rechtswidrig sei, zumal eine Kündigung schriftlich zu erfolgen habe und forderte daher unter anderem eine Kündigungsentschädigung.

Die Vorinstanzen waren unter anderem der Ansicht, dass eine Kündigung über WhatsApp gegen das Schriftformgebot des § 15 Abs 2 Berufsausbildungsgesetz (BAG) verstoße.

Nach Ansicht des OGH kommt es im Falle einer nicht wirksamen Auflösung eines Lehrverhältnisses zu keiner Beendigung von diesem. Es besteht daher einerseits die Möglichkeit, dass der Lehrling das Lehrverhältnis fortsetzt oder aber andererseits die an und für sich nicht wirksame Auflösung akzeptiert und Schadenersatzansprüche wegen unberechtigter Auflösung geltend macht. Der Schadenersatzanspruch richtet sich grundsätzlich nach dem vertragsmäßigen Anspruch auf das Entgelt für den Zeitraum, der bei einer ordnungsgemäßen Kündigung verstreichen hätte müssen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Lehrverhältnis nicht fortgesetzt, also die formwidrige (weil nicht schriftlich erfolgte) Auflösung akzeptiert und jenen Lohn als Schadenersatzanspruch geltend gemacht, welcher ihrer Ansicht nach bei ordnungsgemäßer Kündigung noch zugestanden wäre.

Aufgrund des im vorliegenden Fall anzuwendenden § 15 Abs 1 BAG können Lehrverhältnisse während den ersten drei Monaten sowohl vom Lehrling als auch vom Lehrberechtigten jederzeit einseitig (also ohne Einhaltung von Kündigungsfristen) aufgelöst werden.

Der OGH führte aus, dass ein Verstoß gegen die Formvorschriften das Lehrverhältnis grundsätzlich nicht auflöst. Da aber die Klägerin die formwidrige Kündigung gegen sich gelten ließ und Schadenersatzansprüche erhob, wird die Verletzung der Formvorschriften saniert. In weiterer Folge kommt es zu einer rechtswirksamen Beendigung des Lehrverhältnisses. Der Klägerin steht es somit grundsätzlich frei, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Da innerhalb der Probezeit das Lehrverhältnis jedoch jederzeit ohne Einhaltung von Kündigungsfristen aufgelöst werden kann, bleibt für Schadenersatzansprüche (insbesondere Kündigungsentschädigung) kein Raum, weil bei einer ordnungsgemäßen (schriftlichen) Kündigung das Lehrverhältnis sofort aufgelöst werden kann.

Alles in allem lässt sich daher resümieren, dass ein Lehrling, der eine an und für sich formwidrige Kündigung während der Probezeit gegen sich gelten lässt, alleine aufgrund der Formwidrigkeit keine Schadenersatzansprüche ableiten kann.