Auskunftsanspruch bei der Hinzurechnung im Verlassenschaftsverfahren

Erbrecht
Januar 2021


Nach der derzeitigen Gesetzeslage haben Personen, die im Verlassenschaftsverfahren berechtigt sind, die Hinzurechnung von Schenkungen des Verstorbenen an andere Personen zum Nachlassvermögen zu verlangen (z.B. die pflichtteilsberechtigten Kinder des Verstorbenen), einen Anspruch auf Auskunft über diese Schenkungen. Ob und gegebenenfalls von welchen weiteren Voraussetzungen der Auskunftsanspruch abhängt, lässt sich dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dies in einer kürzlich entschiedenen Rechtssache nunmehr konkretisiert:

Eine 2018 verstorbene Frau hatte in ihrem Testament eine ihrer Töchter als Erbin eingesetzt und die andere Tochter (die Klägerin) auf den Pflichtteil beschränkt. Die Mutter hatte der Beklagten im Jahr 2010 Geld und später auch noch Schmuck geschenkt. Die Klägerin vermutete, dass es über diese festgestellten Schenkungen hinaus noch zu weiteren Schenkungen gekommen sei.

Die Klägerin begehrte von ihrer Schwester Auskunft über Zeitpunkt, Gegenstand und Wert sämtlicher von der Verstorbenen an die Beklagte gemachten Schenkungen und die eidliche Bekräftigung deren Richtigkeit und Vollständigkeit. Diese Informationen verweigerte ihr die Schwester.

Das Gericht erster Instanz entschied, dass der Klägerin hinsichtlich der eindeutig festgestellten Schenkungen ein Auskunftsanspruch zustehe. Ein weitergehender Auskunftsanspruch bestehe nicht, weil keine Indizien dafür vorlägen, dass die Beklagte weitere Schenkungen erhalten hätte. Spekulationen, die sich darauf gründeten, dass Gegenstände nicht mehr da seien und die Beklagte Gelegenheit gehabt hätte, sich diese anzueignen, begründen nach Ansicht des Gerichts kein solches Indiz.

Im weiteren Verfahren wurde die Rechtssache dem OGH vorgelegt. Dieser führte aus, dass bei dem Auskunftsanspruch gegen einen möglichen Geschenknehmer Indizien erforderlich seien, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat, wobei innerhalb des engeren Familienkreises keine hohen Anforderungen an diese Indizien zu stellen seien. Wurde etwa bewiesen, dass ein Pflichtteilsberechtigter bereits hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat, so liege schon darin ein ausreichendes Indiz dafür, dass auch noch weitere solche Zuwendungen an diesen erfolgt sind. Der Auskunftsanspruch erfasse jedenfalls alle hinzuzurechnenden Schenkungen. In zweifelhaften Fällen bestehe die Auskunftspflicht nur dann nicht, wenn eine Hinzurechnung von vornherein ausgeschlossen werden kann, wie etwa bei Schenkungen geringen Werts, die aus den laufenden Einkünften erfolgten.