BREXIT: Wegfall der beschränkten Haftung für Limited Companies (Ltd)?

Unternehmensrecht Gesellschaftsrecht
April 2022

Die Rechtsfähigkeit eines ausländischen Rechtsträgers ist nach ihrem Gesellschaftsstatut zu beurteilen. Zur Ermittlung des Gesellschaftsstatuts verweist das österreichische Kollisionsrecht auf den Sitzstaat. Denn § 10 Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPRG) sieht vor, dass das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, das Recht des Staates ist, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat („Sitztheorie“). Andere Rechtsordnungen wie z.B. die englische Rechtsordnung knüpfen das Gesellschaftsstatut dagegen an das Recht des Staats an, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft registriert ist („Gründungstheorie“). Eine in einem anderen Staat registrierte Gesellschaft, die nach dessen Recht gültig existiert, ist nach dem österreichischen Gesellschaftsstatut daher dann als ausländische Gesellschaft in Österreich anzuerkennen, wenn sie ihren Hauptverwaltungssitz in jenem Staat hat, nicht aber, wenn sich dort lediglich ihr Satzungssitz befindet, während der Sitz der Hauptverwaltung in Österreich liegt. Das gilt insbesondere auch für eine limited liability company (Ltd.), bei welcher – ähnlich wie bei einer (österreichischen) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) – die GmbH selbst zwar mit ihrem Gesellschaftsvermögen, die Gesellschafter jedoch nur bis zur Höhe ihrer Stammeinlage haften.

Die Bestimmung des § 10 IPRG und mit ihr die Sitztheorie werden aber vom Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit überlagert. Zusammengefasst ist nach der unionsrechtlichen „Zuzugsjudikatur“ des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) davon auszugehen, dass nach den Rechtsvorschriften eines anderen EU‑Mitgliedstaates gegründete Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz in der EU haben, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ohne Verlust der ihnen nach dem Recht des Registerstaats zukommenden Rechts- und Parteifähigkeit über die Grenze in einen anderen EU‑Mitgliedstaat verlegen können, sofern der Wegzugstaat für diesen Fall nicht selbst den Verlust der Rechtsfähigkeit anordnet.

Der BREXIT warf jedoch die Frage auf, ob eine im Vereinigten Königreich gegründete und registrierte limited liability company (Ltd.) – wie jede andere Drittstaats-GmbH – in Österreich gemäß § 10 IPRG nur mehr dann, wenn sie im Vereinigten Königreich den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung hat, als Ltd. anzusehen ist, bei einem Hauptverwaltungssitz in Österreich aber keine rechtlich existierende Kapitalgesellschaft mehr ist, sofern die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nicht in einem Abkommen geregelt werden.

In einer kürzlich entschiedenen Rechtssache hat der Oberste Gerichtshof (OGH) ausgesprochen, dass aus österreichischer Sicht infolge des BREXIT kein Rechtsgrund zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer britischen limited liability company mit Hauptverwaltungssitz in Österreich als eine solche Ltd. mehr bestehe. Nach der Rechtsprechung verfüge eine in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Sitz in Österreich hat und somit österreichischem Recht unterliegt (Sitztheorie), nicht über Rechts- und Parteifähigkeit. Dies führt nach Ansicht des OGH dazu, dass die Rechtsform einer Ltd., die bisher nach europarechtlichen Vorgaben als eigenständiger Rechtsträger anzuerkennen war, bei der diese Anerkennungsgrundlage Brexit‑bedingt aber weggefallen ist, dann, wenn der Sitz ihrer Verwaltungstätigkeit in Österreich ist, nach österreichischem Gesellschaftsstatut nunmehr als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen bzw. im Fall eines Alleingesellschafters von der Zuordnung an ihn als Einzelunternehmer auszugehen sei. Dies führt in beiden Fällen aber dazu, dass die vormaligen bzw. der vormalige Gesellschafter der Ltd. nicht mehr beschränkt mit der Summe seiner Stammeinlage haften bzw. haftet, sondern unbeschränkt mit ihrem bzw. mit seinem gesamten Vermögen.