COVID-19 - Entscheidungen des VfGH

Juli 2020


Gestern hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) seine Entscheidungen vom 14.07.2020 veröffentlicht, welche zusammengefasst nachfolgende wesentliche Erkenntnisse bringen:


§ 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist verfassungskonform: gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung, wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine solche Verordnung erlassen hat (siehe Entschädigung nach dem Epidemiegesetz – aktuelle Informationen (Stand 15.04.2020).
Der VfGH führt insbesondere aus, dass die durch § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz bewirkte Entschädigungslosigkeit der Eigentumsbeschränkung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums darstellt, da es sich hierbei nicht um eine isolierte Maßnahme handelt, sondern diese Bestimmung in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet wurde, welches eine vergleichbare Zielrichtung habe, wie die Einräumung von Entschädigungsansprüchen nach § 32 Epidemiegesetz 1950. Außerdem hätten betroffene Unternehmen insbesondere auch die Möglichkeit, Kurzarbeit zu beantragen und seien weitere Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen (Härtefallfondsgesetz, COVID-19-Krisenbewältigungsfonds) bereitgestellt worden. Aus dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums könne daher keine Verpflichtung abgeleitet werden, einen darüber hinaus gehenden Anspruch auf Entschädigung für alle von dem Betretungsverbot erfassten Unternehmen vorzusehen.
Zudem hegt der VfGH auch aus Sicht des Gleichheitsgrundsatzes keine Bedenken gegen diese Bestimmung. Diesbezüglich führt der VfGH aus, dass dem Gesetzgeber ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt und ihm aus der Perspektive des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegengetreten werden könne, wenn sich der Gesetzgeber dazu entscheidet, das bestehende Regime des § 20 iVm § 32 Epidemiegesetz 1950 auf Betretungsverbote nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zur Anwendung zu bringen, sondern stattdessen ein alternatives Maßnahmen- und Rettungspaket zu erlassen. Auch genieße das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.
Der VfGH hegt auch keine Bedenken dagegen, dass § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz rückwirkend in Kraft getreten ist.

Resultat dieses Erkenntnisses ist, dass damit jedenfalls klargestellt ist, dass Betroffene aufgrund von Verkehrsbeschränkungen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem Epidemiegesetz 1950 haben. Der Zeitraum, für welchen ein Entschädigungsanspruch nach dem Epidemiegesetz 1950 gebühren kann, endet daher spätestens am 27.03.2020 bzw. bei Betroffenen, die durch Verordnungen der Bezirkshauptmannschaften betreffend Maßnahmen gegen Zusammenkünfte größerer Menschenmengen betroffen waren, spätestens am 07.04.2020.



Die Bestimmung in § 2 Abs 4 der COVID-19-Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, welche zwischen 14.04.2020 und 30.04.2020 in Kraft war und wonach das Betretungsverbot des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen dann nicht gilt, „wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt“, war gleichheits- und somit verfassungswidrig. Der VfGH sieht insbesondere keine sachliche Rechtfertigung dafür, Baustoff-, Eisen- und Holzhandel sowie Bau- und Gartenmärkte ungeachtet der Größe ihres Kundenbereiches im Inneren vom Betretungsverbot auszunehmen.

§ 1 der COVID-19-Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020, wonach das Betreten öffentlicher Orte verboten wurde, war gesetzwidrig. Der VfGH hält diesbezüglich fest, dass die gesetzliche Ermächtigung des § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz dahingehend begrenzt ist, dass das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden darf, nicht aber, dass Menschen auf Grundlage dieser Bestimmung dazu verhalten werden können, an einem bestimmten Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben. Personen, über die aufgrund dieser Rechtsgrundlage ein Verwaltungsstrafe verhängt wurde und deren Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, haben sehr gute Chancen, dass das Verfahren gegen sie eingestellt wird. Allfällige Rechtsvertretungskosten können zudem als Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden.