COVID-19 – Vergütung für Unternehmer und Arbeitnehmer

Unternehmensrecht Arbeitsrecht
Mai 2020


Gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes eine Vergütung zu leisten, wenn sie durch die in § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 näher bestimmten Verkehrsbeschränkungen in ihrem Erwerb behindert wurden und ihnen dadurch ein Verdienstentgang entstanden ist. Dies trifft u.a. auf Betroffene zu, die abgesondert worden sind, ein Unternehmen betreiben, das in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen verhängt worden sind.

Insbesondere in Tirol wurden zu Beginn der COVID-19-Pandemie auf das Epidemiegesetz 1950 gestützte Verordnungen erlassen, welche derartige Verkehrsbeschränkungen vorsahen (z.B. Schließung von Gastgewerbebetrieben, Beförderungsverbote für Seilbahnanlagen, Zu- und Abfahrtsbeschränkungen zu einzelnen Ortschaften). Betroffene, die aufgrund derartiger Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben, haben Anspruch auf eine Vergütung gegenüber dem Bund.

Während die Berechnung der zustehenden Vergütung für unselbständig Erwerbstätige vergleichsweise einfach ist, wirft die Berechnung der Vergütung bei selbständig Erwerbstätigen zahlreiche Fragen auf. Dies liegt vor allem daran, dass kaum Rechtsprechung zu § 32 Epidemiegesetz 1950 existiert, da diese Bestimmung bis vor kurzem kaum praktische Bedeutung hatte.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen die Entschädigung nach dem „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen“ Einkommen zu bemessen. Lediglich ein (veröffentlichtes) Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich aus dem Jahre 2003 hat sich bislang näher mit der Berechnung der Vergütung für selbständig Erwerbstätige befasst. Jedoch wirft auch der in diesem Erkenntnis verwendete Begriff des „Bruttoeinkommens“ Fragen auf. Mehr Aufschluss über die Berechnung des Entschädigungsanspruches bei selbständig Erwerbstätigen ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Epidemiegesetznovelle 1974. Diese verweisen auf die (seinerzeit) „zeitgemäßen“ Bestimmungen des § 52b Tierseuchengesetz (TSG), welches für selbständig Erwerbstätigte ebenfalls eine Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen vorsieht. In den Erläuternden Bemerkungen zur Tierseuchengesetznovelle 1974, mit welchem die mit § 32 Abs 4 Epidemiegesetz 1950 idente Bestimmung des § 52b Abs 4 TSG eingeführt wurde, wird ausgeführt, dass sich die Entschädigung für selbständig Erwerbstätige dem Grundsatz entsprechend, „daß der tatsächliche Einkommensverlust ersetzt werden soll“, auf das vergleichbare fortgeschriebene wirtschaftliche Einkommen bezogen werden soll. In diesem Zusammenhang wird weiters ausgeführt, dass das der Einkommensteuer unterliegende Einkommen sich durch die Inanspruchnahme der verschiedenen steuerrechtlichen Bestimmungen (vorzeitige Abschreibung, Investitionsrücklage, Rücklage für den nicht entnommenen Gewinn, Investitionsfreibetrag, Sonderausgaben) vermindert und daher als Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Selbständige problematisch sei. Dementsprechend erscheint es mE am sachgerechtesten im Regelfall den „Deckungsbeitrag II“ als Berechnungsgrundlage heranzuziehen.

Gemäß § 33 Abs 3 Epidemiegesetz 1950 ist der Anspruch auf Vergütung binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen, und zwar mittels Antrag (und nicht mittels Klage!), bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt. Nach der Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei dieser Frist um keine verfahrensrechtliche Frist, sondern um eine materiellrechtliche Frist. Dies hat zu Konsequenz, dass der verfahrenseinleitende Antrag am letzten Tag der Frist bei der Behörde einlangen muss; die Postaufgabe am letzten Tag der Frist ist in diesem Fall nicht ausreichend. Per E-Mail oder per Fax übermittelte Anträge müssen zudem während der Amtszeiten der Behörde einlangen, anderenfalls sie erst am nächstfolgenden Werktag als eingebracht gelten.

Da die einschlägigen, auf das Epidemiegesetz 1950 gestützten Verordnungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft und außer Kraft getreten sind, bestimmt sich der Entschädigungszeitraum sowie der Zeitpunkt, innerhalb derer der Antrag auf Entschädigung bei der Bezirksverwaltungsbehörde einlangen muss, nach der jeweiligen Verordnung (bzw. bei einer Absonderung nach dem jeweiligen Absonderungsbescheid). Soweit überblickbar sind zwischenzeitlich sämtliche auf das Epidemiegesetz 1950 gestützte Verordnungen, welche Verkehrsbeschränkungen vorsahen, außer Kraft getreten. Auch die jeweiligen Fristen zur Geltendmachung von Entschädigungen für den durch die jeweilige Verordnung vorgegebenen Entschädigungszeitraum sind mit Mitte Mai 2020 größtenteils bereits abgelaufen.

Die derzeit in Geltung befindlichen Verordnungen, welche Verkehrsbeschränkungen vorsehen, stützen sich auf das COVID-19-Maßnahmengesetz, welches am 16.03.2020 in Kraft getreten ist. Mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 wurde ab 16. März 2020 u.a. das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt. Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe wurde ab 17. März 2020 untersagt. Zudem wurde mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ab 16. März 2020 u.a. das Betreten öffentlicher Orte verboten. Diese beiden Verordnungen wurden mehrfach überarbeitet und sind jeweils mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten. „Nachfolger“ dieser beiden Verordnungen ist die COVID-19-Lockerungsverordnung (COVID-19-LV), welche am 01. Mai 2020 in Kraft getreten ist.

Sämtliche drei Verordnungen, welche ebenfalls Verkehrsbeschränkungen normieren, stützen sich auf das COVID-19-Maßnahmengesetz. Dieses sieht in dessen § 4 Abs 2 vor, dass die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Bundesminister eine Verordnung erlassen hat. Wenngleich diese Bestimmung unterschiedliche Interpretationen zulässt, ist aufgrund des Wortlautes dieser Bestimmung davon auszugehen, dass der Gesetzgeber jenen Normadressaten, die von auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verkehrsbeschränkungen betroffen sind, keinen Anspruch auf Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 zugestehen wollte.

Die Verfassungskonformität dieser Bestimmung sowie der darauf gestützten Verordnungen, ebenso wie die der vorzeitigen Aufhebung diverser auf das Epidemiegesetz 1950 gestützter Verordnungen, ist umstritten. Daher ist es denkbar, dass Betroffene, die durch derartige verkehrsbeschränkende Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben, ebenfalls einen Anspruch auf Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 oder Anspruch auf Schadenersatz haben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Maßnahmen Verkehrsbeschränkungen im Sinne des Epidemiegesetz 1950 darstellen oder die auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnungen rechtswidrig erlassen wurden, was zu Amtshaftungsansprüchen der Betroffenen führen könnte. Wurden die Verordnungen hingegen gesetzeskonform erlassen, beruhen diese jedoch auf einem verfassungswidrigen Gesetz, ist ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen.

Sollte der Verfassungsgerichtshof einzelne Verordnungen oder Teile davon wegen Verfassungswidrigkeit aufheben und sollte es dadurch zu einer Ausweitung von Entschädigungsansprüchen für Betroffene kommen, gelangen nur jene Betroffene in den Genuss der sogenannten „Ergreiferprämie“ die fristgerecht einen Antrag auf Leistung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 gestellt und sich auf die Verfassungswidrigkeit berufen haben und deren Verfahren im Zeitpunkt der Aufhebung der verfassungswidrigen Norm noch nicht abgeschlossen ist.