Der europäische Verbrauchergerichtsstand

August 2018


Welches Gericht im Einzelfall für die Klärung eines bestimmten Rechtsstreites berufen ist, wird in Österreich grundsätzlich durch die Jurisdiktionsnorm (JN) bestimmt. Liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vor, bestimmt sich die Zuständigkeit in der Regel primär nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), welche diesfalls grundsätzlich die Zuständigkeitsvorschriften der JN verdrängt. Ein „Auslandsbezug“ im Sinne dieser Verordnung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Streitparteien ihren (Wohn-)Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten haben. Da die EuGVVO – im Gegensatz zur JN – dem Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet, eine Klage gegen seinen (beruflich oder gewerblich) tätigen Vertragspartner bei jenem Gericht einzubringen, in dessen Sprengel der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Wohnsitzgericht), ist es für den Verbraucher regelmäßig von Vorteil, wenn sich die Gerichtszuständigkeit nach der EuGVVO bestimmt. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer „Verbrauchersache“. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn der andere Vertragspartner (Unternehmer) im Mitgliedstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche (auch) auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Der unternehmerisch tätige Vertragspartner muss somit seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Mitgliedstaat des Verbrauchers ausüben oder zumindest (auch) auf diesen Mitgliedstaat ausrichten. Letzteres ist vor allem dann von Bedeutung, wenn der Vertragspartner – wie heutzutage üblich – eine Website betreibt. Die bloße Möglichkeit der Abrufbarkeit einer Website im Mitgliedstaat des Verbrauchers reicht jedoch nicht aus, um von einem „Ausrichten“ auf diesen Mitgliedstaat zu sprechen. Vielmehr muss aus den Angaben auf der Website und der gesamten Tätigkeit des Unternehmers hervorgehen, dass dieser zu einem Vertragsabschluss mit Personen im Mitgliedstaat des Verbrauchers bereit ist. Anhaltspunkte, welche für ein solches „Ausrichten“ auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers sprechen können, sind u.a. die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung oder der Abschluss eines Verbrauchervertrages im Fernabsatz. Der Vertrag muss aber weder im Fernabsatz abgeschlossen worden sein, noch muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ausrichten auf den Mitgliedstaat des Verbrauchers und dem Vertragsabschluss bestehen. Demnach kann auch der in Österreich ansässige Verbraucher, der sich lediglich aufgrund einer Empfehlung eines Freundes nach Deutschland begibt und dort einen Kaufvertrag über ein Fahrzeug abschließt, bei seinem Wohnsitzgericht eine Klage gegen den Verkäufer einbringen, wenn der Vertragspartner – auch ohne dass der Verbraucher dies wusste – seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, z.B. über seine Website, (auch) auf Österreich ausrichtet.