Entschädigung nach dem Epidemiegesetz – aktuelle Informationen (Stand 15.04.2020)
Gemäß § 1 des am 16.03.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
Gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung, wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine solche Verordnung erlassen hat.
Dies trifft insbesondere auf die derzeit – bis (vorläufig) 30.04.2020 geltende „Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes“ zu, nach welcher – von einigen Ausnahmen abgesehen – u.a. das Betreten öffentlicher Orte verboten ist, wobei diese Verordnung seit 14.04.2020 eine abgeänderte Fassung dieser Verordnung in Kraft ist.
Hingegen ist gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
Demnach haben betroffene Personen und Gesellschaften unter den oben genannten Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung.
Da gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine solche Verordnung erlassen hat, ist nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass die betroffenen Personen und Gesellschaften keinen Entschädigungsanspruch gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 haben, wenn deren Betriebsstätten aufgrund einer Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht betreten werden dürfen.
Jedoch haben diverse Bezirksverwaltungsbehörden vor In-Kraft-Treten des COVID-19-Maßnahmengesetz Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 verordnet, nach welchen den betroffenen Personen und Gesellschaften für den Zeitraum, in welchem die auf das Epidemiegesetz 1950 gestützten Verordnungen in Kraft sind, ein Anspruch auf Entschädigung zusteht. Dies trifft insbesondere auf nachfolgende Verordnungen der BH Landeck zu:
Während des Geltungszeitraumes der oben genannten Verordnungen haben betroffene Personen und Gesellschaften daher Ersatzansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950. Neben sämtlichen Personen und Gesellschaften im Paznauntal und der Gemeinde St. Anton, für welche weitreichendere und länger in Kraft getretene Verordnungen in Geltung waren, haben auch natürliche und juristische Personen, die in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 Epidemiegesetz 1950 verhängt worden sind, Anspruch auf eine Entschädigung, wenn sie durch diese Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben (§ 32 Abs 1 Z 7. Epidemiegesetz 1950).
Nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieser Verordnungen ist eine Entschädigung denkbar, zumal im Raum steht, dass insbesondere § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches von Verordnungen gestützt auf das COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zur Anwendung gelangen, verfassungswidrig sein könnte.
Gemäß § 32 Abs 4 Epidemiegesetz 1950 ist für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen die Entschädigung nach dem „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“ zu bemessen.
Da das Epidemiegesetz 1950 bis vor kurzem kaum Praxisdeutung hatte, gibt es sehr wenige Informationen darüber, wie die „Vergütung“ bei selbständig erwerbstätigen Personen berechnet wird. Die einzigen Anhaltspunkte zur Berechnung dieser Entschädigung ergeben sich aus einem Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich, wonach die Entschädigung bei selbständig erwerbstätigen Personen wie folgt zu ermitteln ist:
Diese Entscheidung lässt leider offen, wie das „Bruttoeinkommen“ genau definiert ist. Wie sich jedoch aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 32 Epidemiegesetz 1950 unter Verweis auf das Tierseuchengesetz, welches denselben Begriff verwendet, ergibt, soll die Entschädigung für selbständig Erwerbstätige dem Grundsatz entsprechend, dass „der tatsächliche Einkommensverlust ersetzt werden soll“, auf das vergleichbare fortgeschriebene wirtschaftliche Einkommen bezogen werden. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass das der Einkommensteuer unterliegende Einkommen durch die Inanspruchnahme der verschiedenen steuerrechtlichen Bestimmungen wie vorzeitige Abschreibung, Investitionsrücklage, Rücklage für den nicht entnommenen Gewinn, Investitionsfreibetrag und Sonderausgaben vermindert wird, sodass das der „Einkommensteuer unterliegende Einkommen“ als Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Selbständige problematisch sei. Dies steht auch im Einklang mit den Ausführungen des Ausschusses für Gesundheit und Umweltschutz, welcher seinerzeit die Auffassung vertrat, dass die Bestimmungen des § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 nicht einschränkend, sondern großzügig auszulegen sind.
Daraus ergibt sich, dass das in der Entscheidung des UVS des Landes Oberösterreich angesprochene „Bruttoeinkommen“ nicht als „Gewinn vor Steuern“ zu verstehen ist, sondern vielmehr im Sinne des erwirtschafteten Deckungsbeitrages. Das Unternehmen ist demnach – wie nach schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten – so zu stellen, wie es ohne die verkehrsbeschränkenden Maßnahmen stünde.
Berechnungsbeispiel:
Unter Zugrundelegung der oben genannten Maßnahmen errechnet sich eine Steigerung des Einkommens während des Zeitraums Jänner - Februar 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 %.
Das tägliche Einkommen im März 2019 betrug € 2.000,-.
Das tägliche, fiktive bzw. „Soll“-Einkommen im März 2020 beträgt € 2.400,-.
Das fiktive bzw. „Soll“-Einkommen für den Zeitraum der behördlichen Verfügung (12.03.2020 - 28.03.2020) beträgt € 43.200,-, das tatsächliche Einkommen hingegen € 5.000,-.
Somit errechnet sich ein Verdienstentgang in Höhe von € 38.200,-.
Gemäß § 32 Abs 3 haben auch Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Vergütung in Höhe des regelmäßigen Entgelts im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, wenn diesen aufgrund der obigen Maßnahmen ein Verdienstentgang entstanden ist. Für Unternehmen ist dabei von Interesse, dass der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber übergeht. Zudem ist der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes vom Bund zu ersetzen.
Gemäß § 33 Epidemiegesetz ist der Anspruch auf Entschädigung binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt. Da die auf das Epidemiegesetz 1950 gestützten Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörden bereits außer Kraft getreten sind, hat die 6-wöchige Frist für die Geltendmachung der Entschädigung für jenen Zeitraum, in welchem diese Verordnungen in Geltung waren, bereits zu laufen begonnen.
Da die Verordnung vom 15.03.2020 betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen für die Bewohner sämtlicher Ortschaften im Bezirk Landeck nach dem Epidemiegesetz 1950 (Nr. 137) bereits am 19.03.2020 (oder am 20.03.2020) außer Kraft getreten ist, sollten die Anträge auf Entschädigung betreffend den Zeitraum bis 19.03.2020 spätestens am 30.04.2020 bei der Behörde einlangen.
Da die „Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes“, nach welcher – von einigen Ausnahmen abgesehen – u.a. das Betreten öffentlicher Orte verboten ist, mit Wirkung ab 14.04.2020 „aufgeweicht“ wurde, sollten Entschädigungsansprüche für den Zeitraum bis 13.04.2020 spätestens am 25.04.2020 bei der Behörde einlangen.
Entschädigungsansprüche ab dem Zeitraum vom 26.03.2020 sollten sowohl auf das COVID-19-Maßnahmengesetz als auch auf das Epidemiegesetz 1950 gestützt werden.