GPS-Ortungssystem in Dienstfahrzeugen bedarf der Zustimmung des Arbeitnehmers

Arbeitsrecht
Juni 2020

Gemäß § 96 Abs 1 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer durch den Betriebsinhaber, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Korrespondierend dazu normiert § 10 Abs 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), dass die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, unzulässig ist, es sei denn, diese Maßnahmen werden durch eine Betriebsvereinbarung iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geregelt oder erfolgen in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, mit Zustimmung des Arbeitnehmers.

Unter einer Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ist die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen Verhaltens von Arbeitnehmern durch den Betriebsinhaber zu verstehen. Es geht dabei auch um von Seiten des Betriebsinhabers veranlasste Regelungen, die insbesondere vorschreiben, wann, unter welchen Umständen und auf welche Weise Arbeitnehmer während ihrer Arbeitsleistung (auch wenn sie außerhalb der Betriebsräumlichkeiten erbracht wird) zu irgendeinem Zweck überprüft werden.

Bei Maßnahmen oder Systemen, welche die objektive Eignung zur Kontrolle der Arbeitnehmer erfüllen, ist dann weiters zu prüfen, ob dadurch die Menschenwürde berührt ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere § 16 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) zu berücksichtigen, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte verfügt. Es handelt sich dabei um eine Zentralnorm der österreichischen Rechtsordnung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) wird die Menschenwürde von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen, kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des Arbeitnehmers eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist. Andererseits verlangt das „Berühren“ der Menschenwürde keine solche Eingriffsdichte, die bereits als „Verletzung“ anzusehen wäre. Durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des Betriebsinhabers geregelt werden.

Die Beantwortung der Frage, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme auch nur berührt wird, bedarf einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen. So sind einerseits die Interessen des Arbeitgebers, der im Arbeitsverhältnis ein grundsätzliches Recht zur Kontrolle der Arbeitnehmer hat, aber darüber hinaus z.B. auch sein Eigentum sichern und schützen will, und andererseits die Interessen des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen. Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit kommt hier regulierende Funktion zu. Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen.

Kürzlich hat der OGH entschieden, dass es sich bei einem vom Arbeitgeber in einem Dienstfahrzeug eines Vertriebsmitarbeiters installierten GPS-Kontrollsystem zweifelsohne um eine auf Dauer angelegte systematische Überwachungsmöglichkeit des Aufenthaltsorts des Dienstfahrzeugs und damit des klagenden Mitarbeiters, der dieses Dienstfahrzeug sowohl beruflich als auch privat nutzte, handelt. Damit griff der beklagte Arbeitgeber rechtswidrig in die Privatsphäre des Mitarbeiters, nämlich seinen höchstpersönlichen Lebensbereich, ein, weil weder eine Betriebsvereinbarung noch eine Zustimmung des Mitarbeiters vorlag, was jedoch erforderlich gewesen wäre. Der Klage des Mitarbeiters wurde daher Folge gegeben und diesem immateriellen Schadenersatz zugesprochen.