Haftung des Tierhalters für angeleinten Hund mit Maulkorb?

Schadenersatzrecht
Februar 2020


Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte suchte in Begleitung ihres sieben Jahre alten und rund sechs Kilo schweren Hundes (Jack Russell Terrier) einen Supermarkt in Wien auf. Das Tier war an Menschen gewöhnt und hatte davor noch nie ein auffälliges Verhalten an den Tag gelegt. Da es neben der Eingangstüre des Supermarkts keinen Ring zur Befestigung einer Hundeleine gab, band die Beklagte ihren Hund an einen der Poller, die sich vor dem Supermarkt befanden. Dahinter befanden sich einige durch Bodenmarkierungen gekennzeichnete Parkplätze. Der Hund trug einen Maulkorb und war an eine ca. einen Meter lange Leine angebunden.

Während die Beklagte ihre Einkäufe erledigte, verließ die Klägerin den Supermarkt und ging in Richtung ihres geparkten Autos. Sie nahm den Hund der Beklagten nicht wahr. Als sie sich unmittelbar vor dem Hund befand, bellte er und sprang an ihrem Bein hoch, ohne sie dabei umzustoßen. Die Klägerin erschrak jedoch, ging einen Schritt zurück, stolperte und kam zu Sturz.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht wiesen die Schadenersatzklage der Klägerin ab. Der OGH führte zunächst aus, dass gemäß § 1320 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) unter anderem derjenige für den durch ein Tier verursachten Schaden haftet, der seine Verwahrungspflichten vernachlässigt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH sei durch § 1320 ABGB keine (volle) Gefährdungshaftung normiert, die besondere Tiergefahr aber dadurch berücksichtigt worden, dass nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird. Insbesondere habe der Tierhalter zu beweisen, dass er sich nicht sorgfaltswidrig verhalten hat. Welche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter erforderlich ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die Vorkehrungen müssen dem Tierhalter jedoch zumutbar sein und die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflichten dürfen nicht überspannt werden.

Nach dem einschlägigen § 5 Abs 1 des Wiener Tierhaltegesetzes müssen Hunde an öffentlichen Orten wie Straßen und Plätzen entweder mit einem geschlossenen Maulkorb versehen sein oder so an der Leine geführt werden, dass eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet ist.

Nach Ansicht des OGH habe sich die Klägerin selbst in die Gefahrenlage gebracht, weil sie den vor ihrem Fahrzeug an den Poller angeleinten Hund übersah und bis auf einen Meter an ihn herantrat, sodass dieser hochsprang und bellte. Die Beklagte habe für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Hundes ausreichend Sorge getragen, insbesondere da eine besondere Gefährlichkeit des Hundes bis zu diesem Vorfall nicht erkennbar war. Damit, dass sich jemand dem Hund bis auf einen Meter annähert, weil er ihn übersieht, und dann vor dem Hund – obwohl er angeleint war und einen Maulkorb trug – wegen dessen Bellens und Hochspringens so erschrickt, dass er zu Sturz kommt, musste die Beklagte nicht rechnen. Die Klage wurde daher zu Recht abgewiesen.