Haftung des Veranstalters eines Skirennens

Juli 2015


Ebenso wie ein Pistenbetreiber zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen verpflichtet ist, um Schäden von Pistenbenützern zu vermeiden, ist auch der Veranstalter eines Skirennens verpflichtet, die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Die Sorgfaltsanforderungen an einen Rennveranstalter sind jedoch wesentlich strenger als die an einen Pistenbetreiber, zumal die Teilnehmer an einem Skirennen vom Veranstalter geradezu zum riskanten Fahren aufgefordert werden. Der Umfang der zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen hängt dabei ganz erheblich von der Größe und Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung einer Gefahr sowie davon ab, ob und inwieweit der Skifahrer selbst in der Lage ist, einer Unfallgefahr zu begegnen. Dabei ist das von den Rennteilnehmern „eingeforderte“ Risiko zu berücksichtigen.

Kürzlich hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit folgendem Sachverhalt zu befassen:

Im März 2010 fand in einem Tiroler Skigebiet ein Skirennen im freien Gelände statt. Nach dem Massenstart fuhren die beiden Kläger, welche zur Elite der Skifahrer im freien Gelände zählen, in den jeweiligen Fahrspuren der vor ihnen fahrenden Teilnehmer. Die Kläger waren dabei auf das Renngeschehen und den jeweiligen Vordermann konzentriert.

In Annäherung an die Unfallstelle fuhr der das Rennen anführende Teilnehmer in gerader Linie auf eine an einer Geländekante angebrachte Torstange zu. Beim Befahren der Geländekante im unmittelbar links der Torstange gelegenen Bereich verlor der Teilnehmer den Bodenkontakt und „flog“ über eine Sprungweite von bis zu 15 m in die dahinter befindliche Grabenmulde. Zwar bemerkte der Zweitkläger, welcher hinter dem Führenden fuhr, das plötzliche „Verschwinden“ seines Vormannes, jedoch ging der Zweitkläger von einem gewöhnlichen Abhang hinter der Geländekante aus. Als der Zweitkläger in weiterer Folge über die Geländekante fuhr, verlor er ebenso den Bodenkontakt und stürzte in die Grabenmulde. Zahlreichen weiteren Teilnehmer, so auch dem Erstkläger, passierte dasselbe.

Die Kläger, welche bei dem Sturz verletzt wurden, begehrten vom Veranstalter des Skirennens Schadenersatz. Während das Erstgericht von einer Verschuldensteilung von 1:2 zu Lasten der Kläger (also einem Mitverschulden der Kläger von 2/3) ausging, gelangte das Berufungsgericht zu einer Verschuldensteilung von 1:1.

Der OGH hingegen geht vom alleinigen Verschulden des Rennveranstalters aus und führt in seinem Urteil begründend aus, dass das freie Skigelände außerhalb des organisierten Skiraumes grundsätzlich nicht zu sichern sei. Etwas anderes gelte jedoch für atypische Gefahren (= Hindernisse die ein Skifahrer nicht ohne weiteres Erkennen oder nur schwer vermeiden kann), wenn eine entsprechende Benützung – wie im vorliegenden Fall – konkret bekannt ist. Nach Ansicht des OGH stellt die im Unfallbereich befindliche Grabenmulde im freien Gelände an sich keine atypische Gefahr dar. Da aber unmittelbar oberhalb dieser Mulde an der Geländekante ein Tor gesteckt wurde, an welchem sich die Rennteilnehmer orientieren, wurden die Rennläufer geradezu zum Gefahrenbereich ohne Absicherung hingeleitet, weshalb der Rennveranstalter jedenfalls seine Sorgfaltspflichten verletzt hat.