Haftungsbefreiung des Schulerhalters für Verletzung von Bauvorschriften?

Schadenersatzrecht
August 2021


Der Träger einer Ausbildungseinrichtung ist gegenüber einem Schüler, ebenso wie ein Dienstgeber gegenüber einem Dienstnehmer, nur zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Schulausbildung ereignet und der Träger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Soweit die Haftung aber darauf gestützt wird, dass dem Träger der Ausbildungseinrichtung auch Aufgaben der örtlichen Baupolizei übertragen wurden, steht ihr dieses Haftungsprivileg nicht zu.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte vor kurzem nachfolgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Ein Schüler verletzte sich an einer Glastüre in einer vom beklagten Bundesland betriebenen Schule, weil die Türe entgegen den Bauvorschriften nicht mit Sicherheitsglas ausgestattet gewesen war, obwohl eine Sicherheitsverglasung zum Errichtungszeitpunkt der Schule gesetzlich vorgeschrieben war. Der Schüler als Kläger begründet seinen Anspruch damit, dass das beklagte Bundesland nicht nur Schulerhalter und Schulaufsicht, sondern aufgrund einer Verordnung der Landesregierung auch Baubehörde sei.

Die Klage des Schülers wurde sowohl vom Erstgericht als auch vom Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass das beklagte Bundesland gemäß § 333 Abs 1 iVm § 335 Abs 3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) einem Haftungsprivileg unterliege und nur für Schäden einzustehen habe, welche vom Träger der Ausbildungseinrichtung (vom beklagten Bundesland) gegenüber einem Schüler vorsätzlich herbeigeführt werden. Eine vorsätzliche Schädigung des Schülers sei jedoch nicht erfolgt.

Der OGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und hat dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen. Der OGH erwog dabei Folgendes:

Es sei stets darauf abzustellen, in welcher Funktion der Rechtsträger (das beklagte Bundesland) vom Geschädigten in Anspruch genommen wird. Es würde nämlich einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn sich ein Rechtsträger immer dann auf die Haftungsbefreiung berufen kann, weil er auch Aufgaben als Träger der Ausbildung erfüllt, die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung aber in gar keinem Zusammenhang mit diesem Aufgabenbereich steht (z.B. wegen einer Verletzung von Bauvorschriften). Da die Vorinstanzen nach Ansicht des OGH zu Unrecht davon ausgegangen sind, dass sich das beklagte Bundesland auch hinsichtlich des Vorwurfs, es habe „als Baubehörde“ rechtswidrig gehandelt, auf diese Haftungsbefreiung berufen kann, wurde dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.