Helmpflicht für Rennradfahrer
Vor kurzem hat der Oberste Gerichtshof nachfolgende – insbesondere für Radsportler – interessante Entscheidung gefällt:
Zwei Rennradfahrer fuhren mit ca. 35 km/h auf einer Bundesstraße, wobei der hintere Radfahrer mit einem Tiefenabstand von ca. 1,5 m im „Windschatten“ seines Vordermannes fuhr. Aufgrund einer unaufmerksamen Fußgängerin musste der Vordermann eine Vollbremsung einleiten, wodurch der Hintermann mit seinem Vordermann kollidierte und sich u.a. schwere Kopfverletzungen zuzog.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt in seiner Entscheidung fest, dass die beklagte Fußgängerin den Unfall nicht allein verschuldet hat, sondern den Kläger (Hintermann) ein Mitverschulden treffe.
Zunächst führte der OGH aus, dass die österreichische Rechtsordnung keine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer kennt, sondern § 68 Abs 6 Straßenverkehrsordnung (StVO) lediglich eine Radhelmpflicht für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr auf öffentlichen Straßen normiert. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann jedoch weder eine Verwaltungsstrafe begründen (d.h. eine Verpflichtung ohne Sanktion = „lex imperfecta“), noch ein Mitverschulden im Falle eines Unfalles.
Des Weiteren hielt der OGH fest, dass für ein Mitverschulden bereits die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern ausreicht. Bei Unterlassung von Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit sei nämlich der Vorwurf des Mitverschuldens begründet, wenn sich bereits ein allgemeines Bewusstsein der beteiligten Kreise dahin gebildet habe, dass jeder Einsichtige und Vernünftige solche Schutzmaßnahmen anzuwenden pflegt.
In einer älteren Entscheidung hielt der OGH fest, dass sich im Jahr 2000 (noch) kein allgemeines Bewusstsein gebildet habe, auf Radwegen Fahrradhelme zu tragen. Diese Ansicht hielt der OGH auch noch im Jahr 2006 für vertretbar, zumal die Helmtragequote der Österreicher im Jahr 2006 (nur) 22 % betragen hat.
Hinsichtlich des gegenständlichen Sachverhalts führt der OGH – unter Bezugnahme auf die deutsche Rechtsprechung – sodann aus, dass er eine Helmpflicht für „sportlich ambitionierte“ Radfahrer für sachgerecht hält. Dies deshalb, da bei Fahrten unter rennmäßigen Bedingungen (wie im vorliegenden Fall) auch schon für das Unfalljahr 2008 von einem „allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise“ in Österreich auszugehen ist, dass der „Einsichtige und Vernünftige“ wegen der erhöhten Eigengefährdung einen Radhelm trägt.
Für den OGH resultiert aus der Verletzung dieser Helmpflicht – wie in der Regel bei Verletzung der Gurtenanlegepflicht – ein Mitverschulden von 25 %, weshalb die Differenz zwischen dem konkreten Schmerzengeld und dem fiktivem Schmerzengeld, welches der Kläger bei Tragen eines Helmes bekommen hätte, um 1/4 gekürzt wurde. Weiters hat der Kläger ein „Auslösungsmitverschulden“(hinsichtlich des Unfalles) von 1/3 zugestanden, zumal er im „Windschatten“ seines Vordermannes fuhr und keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat. Zwar musste sich der OGH aufgrund des Anerkenntnisses nicht mehr damit befassen, ob und in welcher Höhe das „Windschatten“-Fahren ein Mitverschulden begründet, jedoch ist davon auszugehen, dass der OGH auch ohne Anerkenntnis ein diesbezügliches Mitverschulden angenommen hätte.