Kein Ausbildungskostenrückersatz bei bereits begonnener Ausbildung?

Arbeitsrecht
Januar 2022


Arbeitgeber, welche Aufwände dafür tragen, dass deren Arbeitnehmer besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, haben ein Interesse daran, dass diese Arbeitnehmer die erlangten Kenntnisse für zumindest eine gewisse Zeit im Unternehmen der Arbeitgeber einsetzen. Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sieht zu dieser Absicherung in § 2d die Möglichkeit einer Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz vor.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte war Angestellter im Unternehmen der Klägerin und nahm während des aufrechten Arbeitsverhältnisses an verschiedenen Schulungen teil. Die Kosten für diese Ausbildungen wurden von der Klägerin getragen. Eine Kostenrückersatzvereinbarung wurde unter den Verfahrensparteien erst nach der bereits abgeschlossenen Ausbildung geschlossen. Über die konkreten Kosten wusste der Beklagte zu Beginn der jeweiligen Schulung nicht Bescheid.

Gemäß § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG ist „eine Rückerstattung […] nur hinsichtlich von Ausbildungskosten nach Abs. 1 in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig.“

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und führten begründend aus, dass die Vereinbarungen über den Rückersatz der Ausbildungskosten nicht vor den jeweiligen Ausbildungen des Beklagten abgeschlossen worden sind.

Der OGH erwog dazu Folgendes: § 2d AVRAG stellt eine Schutzbestimmung für den Arbeitnehmer dar. Dabei handle es sich um relativ zwingendes Recht, sodass die dem Arbeitnehmer daraus gebührenden Rechte nach § 16 AVRAG unabdingbar seien. Demgemäß dürfe von dieser Bestimmung nicht Zulasten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Die Bestimmung soll dem Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung bieten. Dadurch soll für den Arbeitnehmer ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde.

Obwohl der Bestimmung des § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG kein Zeitpunkt bzw. Zeitraum für den Abschluss der erforderlichen schriftlichen Vereinbarung zu entnehmen ist, führt der OGH begründend aus, dass nur eine vor der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung, sich auf eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann, sichert. Nur so könne eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des Arbeitsnehmers vermieden werden. Durch eine nach absolvierter Ausbildung im aufrechten Arbeitsverhältnis zur Unterschrift vorgelegte Vereinbarung über die Rückforderbarkeit der bereits vom Arbeitgeber getragenen Kosten könnte der Arbeitnehmer in eine Drucksituation gelangen, welche seinem schützenswerten Interesse, sich frei und sachlich über die Teilnahme an einer Ausbildung zu entscheiden, entgegensteht.

Soll der Arbeitnehmer iSd § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, muss nach ständiger Rechtsprechung vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der Ausbildungskosten hervorgeht.