„Köpfen“ von Champagner als Gefahrenquelle

Schadenersatzrecht
Dezember 2022

Nach dem österreichischen Schadenersatzrecht hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung Anderer abzuwenden.

Nach einer vom Obersten Gerichtshof (OGH) kürzlich entschiedenen Rechtssache wird durch das Abschlagen des Kopfes einer Champagnerflasche mit einem Säbel (= sog. „Sabrieren“) eine derartige Gefahrenquelle geschaffen. Dieser Entscheidung lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Geschäftsführer eines Hotels animierte einen Hotelgast, das sogenannte „Ritual“, nämlich das „Sabrieren“ der Champagnerflasche mit dem Säbel, zu absolvieren, „damit er zum Tiroler“ werde. In der Folge bestellte der Hotelchef an der Bar eine Champagnerflasche, ließ den Champagnersäbel bringen und deutete zu einem seiner Kellner, er möge mit einem Champagnerglas kommen, um den aus der Flasche auslaufenden Champagner aufzufangen. Der Hotelchef stellte sich hinter den Gast und zeigte diesem, wie er die Champagnerflasche öffnet bzw. wie er den Säbel zu führen hat. Der Kellner kniete links vor dem Hotelgast und hielt mit der rechten Hand in unmittelbarer Nähe zur Flasche das Champagnerglas hoch. Der Hotelgast schlug bei seinem zweiten Versucht den Hals ab, wobei der Kellner durch die weggeschleuderten Glassplitter an seiner Hand verletzt wurde. Der Kellner begehrte daraufhin vom Hotelgast Schmerzengeld und Verdienstentgang.

In seiner Entscheidung führte der OGH aus, dass die Verursachung einer Gefahrensituation die Auferlegung verstärkter Sorgfaltspflichten rechtfertige. Voraussetzung sei das bei gehöriger Sorgfalt mögliche Erkennen einer Gefahrenlage. Nach Ansicht des OGH musste für den Hotelgast klar sein, dass sich der unmittelbar vor ihm knieende Kellner aufgrund der zu erwartenden Glassplitter beim Abschlagen des Flaschenkopfes in einer gefährlichen Situation befand. Dem Hotelgast wäre zumutbar gewesen, das „Sabrieren“ nicht im Nahbereich des Klägers vorzunehmen oder ihn zu ersuchen, diesen Bereich zu verlassen. Der Hotelgast habe daher rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, weshalb er dem Kellner zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Umgekehrt kann ein Mitverschulden vorliegen, wenn einer erkennbaren Gefahrenquelle nicht ausgewichen wird. Für den Kellner sei – so der OGH – die Gefahr erkennbar gewesen, dass beim Köpfen der Champagnerflasche mit einem Säbel durch wegschleudernde Glassplitter oder Scherben für ihn eine konkrete Verletzungsgefahr bestand. Dennoch habe er sich – wenn auch nach vorangegangener Anweisung seines Chefs – in den unmittelbaren Gefahrenbereich begeben. Dies rechtfertigt nach Ansicht des OGH eine Verschuldensteilung von 1:1.