Kündigung eines Mietvertrages wegen Eigenbedarf

Mietrecht Vertragsrecht
November 2022

In einer kürzlich entschiedenen Rechtssache hat der Oberste Gerichtshof (OGH) klargestellt, dass bei Beantwortung der Frage, ob der Eigenbedarf des Vermieters durch eine iSd § 30 Abs 2 Z 8 MRG ausreichende Dringlichkeit charakterisiert ist, um die Kündigung eines Bestandverhältnisses zu ermöglichen, stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen sei.

Die mittlerweile gefestigte jüngere Rechtsprechung halte unter Hinweis auf den Grundsatz der freien Verfügbarkeit über das Eigentum und unter Zugrundelegung eines gemäßigteren Verständnisses der Begriffe „Notstand“ und „Existenzgefährdung“ eine Erleichterung der Eigenbedarfskündigung gegenüber der früheren strengen Rechtsprechung für geboten.

Demgemäß habe der OGH bereits den dringenden Eigenbedarf eines Studierenden, dem nur ein von allen Seiten zugängliches Zimmer in der mit seiner sechsjährigen Schwester bewohnten Wohnung der Eltern zur Verfügung steht, oder eines Studenten, der von einem Studentenheim in eine eigene Wohnung übersiedeln möchte, bejaht. Auch sei bereits ausgeführt worden, dass die Wohnsituation eines am Ende der Ausbildungszeit stehenden Sohnes nicht isoliert zu betrachten, sondern auch die geplante Aufnahme einer Wohngemeinschaft mit seiner Freundin zu berücksichtigen sei.

Im vorliegenden Fall halte sich daher die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Wohnmöglichkeit der mittlerweile volljährigen Tochter, die beabsichtigt, nach ihrer Rückkehr von einem Praktikum im September 2021 ein Masterstudium zu beginnen bzw. für den Fall der Nichtzulassung eine Arbeitsstelle in Vorarlberg zu suchen und mit ihrem Lebensgefährten zusammenzuziehen, nicht ausreichend sei, da diese gemeinsam mit ihrem Vater und zwei weiteren volljährigen Geschwistern (am Wochenende jeweils mit Lebensgefährten) in einem 140 m² großen Haus wohnt, in dem ihr ‒ wie auch den anderen Familienmitgliedern ‒ nur ein eigenes Zimmer zur Verfügung steht und sämtliche Hausnutzer auf lediglich ein Bad angewiesen sind, im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.