Mitverschulden eines Fahrradfahrers wegen fehlender Beleuchtung

Verkehrsrecht
Februar 2022


Im Schadenersatzrecht spielt das Rechtsinstitut des Mitverschuldens gemäß § 1304 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) eine wichtige Rolle. Mitverschulden liegt vor, wenn nicht nur der Schädiger, sondern auch der Geschädigte eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt hat. Das eigene Verschulden des Geschädigten wird dann verhältnismäßig berücksichtigt. Er muss somit einen Teil des Schadens selbst tragen.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Drei Fahrzeuge fuhren bei dämmernden Lichtverhältnissen auf einer Freilandstraße, welche im Bereich der Unfallstelle mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgeschildert ist. Jeder Fahrzeuglenker hatte das Abblendlicht im Fahrzeug eingeschalten. Vor den drei Fahrzeugen fuhr ein Radfahrer mit ca. 25 km/h, welcher weder über aktive (Scheinwerfer bzw. Rücklicht) noch passive Beleuchtungseinrichtungen (Rückstrahler) verfügte, auf derselben Landstraße. Kurz nach der Beschilderung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beginnt ein sich kontinuierlich verbreitender Linksabbiegestreifen in einer langgezogenen Linkskurve. Das zweite und dritte Fahrzeug näherte sich der Unfallstelle jeweils mit einer Geschwindigkeit von mindestens 100 km/h. Das vor den beiden Fahrzeugen fahrende erste Fahrzeug reduzierte in weiterer Folge seine Geschwindigkeit auf ca. 50 km/h, setzte den linken Blinker und lenkte nach links aus, um den Fahrradfahrer zu überholen. Der Lenker des zweiten Fahrzeuges begann das erste Fahrzeug rechts zu überholen. Als sich beide Fahrzeuge zum Teil bereits auf gleicher Höhe befanden, lenkte der Lenker des ersten Fahrzauges dieses wieder nach rechts, woraufhin auch der Lenker des zweiten Fahrzeuges sein Fahrzeug nach rechts auslenkte. Aufgrund des Auslenkens stieß der rechte Außenspiegel des zweiten Fahrzeuges gegen das linke Ende des Fahrrades. Der Fahrradfahrer verlor dadurch sein Gleichgewicht, woraufhin das dritte Fahrzeug mit dem Hinterrad des Fahrrades kollidierte. Wenige Tage nach dem Unfall verstarb der Fahrradfahrer an den Unfallfolgen.

Die Hinterbliebenen des getöteten Radfahrers begehrten monatliche Unterhaltsrenten, die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden, die Übernahme der Begräbniskosten sowie den Restwert des beim Unfall beschädigten Fahrrades.

Der OGH führt in seiner Entscheidung aus, dass der Lenker des zweiten Fahrzeuges gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen und in unzulässigerweise rechts überholt habe sowie unaufmerksam gefahren sei. Der Lenker des dritten Fahrzeuges habe ebenfalls gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen, sei unaufmerksam gefahren und habe zudem einen zu geringen Tiefenabstand zum zweiten Fahrzeug eingehalten.

Ungeachtet dessen geht der OGH davon aus, dass auch den Fahrradlenker ein Mitverschulden treffe. Gemäß § 60 Abs 3 Straßenverkehrsordnung (StVO) sind Fahrzeuge während der Dämmerung, Dunkelheit, Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, auf der Fahrbahn zu beleuchten. Der Schutzzweck dieser Norm liegt unter anderem darin, bei Dunkelheit die Wahrnehmbarkeit von Fahrrädern für andere Verkehrsteilnehmer zu erleichtern. Hätte der Fahrradfahrer eine Beleuchtung verwendet, hätte diese aufgrund der getroffenen Feststellungen seine Auffälligkeit von 40 m auf gut 100 m gesteigert. Der OGH ging daher von einem Mitverschulden des Fahrradfahrers von 1/3 aus.