Sittenwidrigkeit einer Abfindungserklärung

Juni 2017


Kürzlich beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) erneut mit der Sittenwidrigkeit einer Abfindungserklärung, wobei der Entscheidung des OGH nachfolgender Sachverhalt zu Grunde lag:

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall an der linken Hand schwer verletzt. Trotz eines komplizierten, noch nicht abgeschlossenen Heilungsverlaufs unterfertigte sie – u.a. auch aus finanziellen Nöten – eine vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners vorbereitete „Generalabfindungserklärung“. Darin erklärte sie, mit dem angebotenen Betrag endgültig abgefunden zu sein und auf allfällige weitere Ansprüche aus dem Unfall zu verzichten, und zwar auch auf solche, die ihr in Zukunft erst entstehen werden oder entstehen könnten, „gleichgültig ob diese Schäden vorhersehbar oder nicht vorhersehbar sind“.

Derartige Abfindungserklärungen können unter bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig und somit rechtswidrig sein, wenn sie auch „nicht vorhersehbare“ Unfallfolgen umfassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH liegt Sittenwidrigkeit insbesondere dann vor, wenn die Vereinbarung eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie wird die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlicher geschützter Interessen ergibt oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht.

Nach der neuesten Entscheidung des OGH ist von einem „ganz krassen und dem Geschädigten völlig unzumutbaren Missverhältnis“ und somit von Sittenwidrigkeit nur auszugehen, wenn der tatsächliche Schaden ein Vielfaches von der Abfindungssumme beträgt. Interessant ist auch, dass eine Vereinbarung nicht sittenwidrig ist, wenn dem Geschädigten das Risiko des Eintritts unvorhersehbarer Unfallfolgen angemessen abgefunden wird. Im vorliegenden Fall wurde eine Sittenwidrigkeit der Abfindungserklärung jedoch verneint, weil von dem von der Klägerin nachträglich begehrten Schmerzengeld in Höhe von € 15.730,00 bereits € 7.000,00 bis € 8.000,00 abgefunden worden waren, weshalb nach Ansicht des OGH kein derartig krasses Missverhältnis vorliegt.