Testamentserrichtung: Zeitpunkt der Verbindung der einzelnen Blätter eines Testaments

Erbrecht
Mai 2021


Nach ständiger Rechtsprechung ist ein fremdhändiges Testament (nicht selbst verfasst, nur unterschrieben) nur gültig, wenn die einzelnen Blätter schon während des Testiervorganges so fest miteinander verbunden wurden, so dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie z.B. beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile. Nur so ist sichergestellt, dass die einzelnen Blätter im Anschluss nicht vertauscht werden.

Der Oberste Gericht (OGH) hatte vor Kurzem nachfolgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Im Verfahren über das Erbrecht standen einander eine Tochter des Erblassers (Erstantragstellerin) und drei Enkel (Zweit- bis Viertantragsteller) gegenüber. Die Enkel gaben aufgrund eines fremdhändigen Testaments vom 10. Juli 2018 eine Erbantrittserklärung zu je einem Drittel des Nachlasses ab, die Tochter aufgrund des Gesetzes eine Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses.

Strittig war allein die Formgültigkeit des Testaments. Es besteht aus zwei genähten Blättern. Auf dem ersten befindet sich die Verfügung zugunsten der Enkel und die Unterschrift des Erblassers. Auf dem zweiten Blatt steht:

„Mit nachstehender Unterschrift bestätigen wir, die ersuchten Testamentszeugen, dass der Testator in unserer gleichzeitigen und ununterbrochenen Anwesenheit den vorstehenden Zusatz eigenhändig geschrieben und die letztwillige Verfügung sodann eigenhändig unterschrieben hat.“

Darunter befinden sich die Unterschriften der Zeugen mit Zeugenzusatz.

Der Erblasser war wegen der Errichtung des Testaments zweimal zu Vorbesprechungen beim Notar, der ihm nach der zweiten Besprechung einen Entwurf schickte. Am Tag der Errichtung kam der Erblasser ins Notariat. Dort fügte zunächst eine Sekretärin das Datum mit der Schreibmaschine in den Entwurf ein. Dann wurden die Blätter mit einer Dokumentenschiene verbunden. Im Besprechungszimmer nahm der Notar die einzelnen Blätter aus der Schiene und besprach das Testament noch einmal mit dem Erblasser. Danach rief er zwei (weitere) Zeuginnen in das Besprechungszimmer. Er fragte den Erblasser nochmals, ob das Testament seinem Willen entspreche. Daraufhin unterschrieben der Erblasser, die beiden herbeigerufenen Zeuginnen und der Notar (ebenfalls als Zeuge) das Testament. Im Anschluss daran wurden die Blätter wieder mit der Dokumentenschiene verbunden. Das Testament wurde noch am selben Tag gebunden. Wie viel Zeit zwischen der Unterfertigung des Testaments und der Bindung verging, ließ sich jedoch nicht mehr feststellen.

Die Tochter machte nun geltend, das Testament sei aufgrund der Nichteinhaltung der Formvorschriften beim Binden des Testaments ungültig. Die Enkel vertraten hingegen die Ansicht, das Testament sein gültig zustande gekommen.

In seiner Entscheidung sprach der OGH aus, dass das Erfordernis, dass die Blätter des Testaments während des Testiervorganges verbunden werden müssen, nicht zu wörtlich verstanden werden dürfe. Wenn die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt wird, sei von einem einheitlichen Testiervorgang auszugehen, der erst mit dieser Herstellung beendet ist. Das gelte auch dann, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen war. Bestanden für ihn keine Bedenken, dass die Verbindung im unmittelbaren Anschluss erfolgen würde, und wurde dies auch tatsächlich umgesetzt, so sei das Testament gültig. Denn das Austauschen von Blättern sei in diesem Fall unabhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalls praktisch ausgeschlossen. Das Erbrecht stand daher den Enkeln zu.