Unmittelbare Zuleitung bei natürlichem Wasserzufluss?

Nachbarschaftsrecht
Januar 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die unter jener des Beklagten liegt. Im Oktober 2019 trat auf der Liegenschaft des Beklagten sauberes Grundwasser an die Oberfläche und bildete ein kleines Rinnsal, das anschließend wieder im Boden versickerte. In weiterer Folge trat es auf der Liegenschaft der Kläger wieder zu Tage, wo es deren Garten durchfeuchtete.

Die Kläger begehrten vom Erstgericht, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Zuleitung von Wasser in Form eines Rinnsals von seinem Grundstück auf deren Liegenschaft zu unterlassen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese abweisende Entscheidung. Der in dritter Instanz angerufene OGH wies das Rechtsmittel der Kläger zurück und führte aus, dass nach § 364 Abs 2 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen insoweit untersagen könne, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Eine unmittelbare Zuleitung sei nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ohne besonderen Rechtstitel „unter allen Umständen“ unzulässig.

Nach der Rechtsprechung des OGH erfordere eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB allerdings, dass sie durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist. Dies setze voraus, dass durch den belangten Nachbarn überhaupt eine Veränderung (seines Grundstücks) erfolgte. Der Begriff „Veranstaltung“ soll demnach ausdrücken, dass Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundes hinzunehmen sind, nicht aber Änderungen der natürlichen Gegebenheiten, die zu Immissionen auf den Nachbargrund führen, wie dies etwa bei einer Veränderung der natürlichen (Wasser‑)Abflussverhältnisse durch ein Bauwerk oder der Änderung einer natürlichen Regenabflusssituation der Fall ist.

Da im vorliegenden Fall nach den den OGH bindenden Feststellungen der Vorinstanzen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wassereintritt am Grundstück der Kläger auf eine Änderung der natürlichen Gegebenheiten durch den Beklagten auf seinem Grundstück zurückzuführen ist, können sich die Kläger mangels Veränderung seines Grundstücks durch den Beklagten nicht auf eine unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 2. Satz ABGB berufen. Insbesondere sei kein Grundstückseigentümer verpflichtet, den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf ein (hangabwärts gelegenes) Grundstück gelangt. Die Klage sei daher zu Recht abgewiesen worden.