Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Lieferanten?

Liegenschaftsrecht Schadenersatzrecht
Oktober 2021


Einen Unternehmer, der Waren bestellt, trifft als vertragliche Nebenpflicht die Verkehrssicherungspflicht, Gefahrenquellen im Zugangsbereich des Geschäftslokals zu beseitigen, um eine gefahrlose Zustellung zu ermöglichen. In diese Schutzwirkung ist der Zusteller einbezogen, selbst wenn er nicht unmittelbar vom Vertragspartner, sondern in einer Vertragskette von einem Dritten beauftragt worden ist.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte ist Pächter einer Jausenstation und hat für die Jausenstation eine Kühl-/Tiefkühlzeile samt Kühlaggregat sowie ein Regalsystem bei einem Handelsunternehmen bestellt. Bei der Bestellung wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass die Lieferung vielleicht noch im Winter erfolgen werde. Das Handelsunternehmen orderte die vom Beklagten gewünschten Waren bei einem österreichischen Zwischenhändler, der diese Waren beim Hersteller mit Sitz in Deutschland bestellte. Letztlich erteilte der Hersteller der Klägerin, einem Speditionsunternehmen mit Sitz in Deutschland, den Auftrag, die Waren an den Beklagten zu liefern. Ein Mitarbeiter des Speditionsunternehmen nahm telefonisch Kontakt mit dem Beklagten auf und teilte diesem mit, wann die bestellte Ware abgeliefert wird. Am Tag der Zustellung war es vor dem Gebäude eisglatt und der Mitarbeiter der Klägerin kam während der Abladetätigkeit zu Sturz, wodurch sich dieser verletzte. Sowohl die anwesende Mutter des Beklagten als auch der Mitarbeiter der Klägerin hatten die Glätte im Zufahrtsbereich erkannt.

Das Speditionsunternehmen erhob Klage und begehrte Schadenersatz in der Höhe von € 8.685,53, wobei die Klage insbesondere auf die Verletzung von nebenvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten sowie Verkehrssicherungspflichten (mangelnde Räumung und Streuung) gestützt wurde.

Der Beklagte wandte ein, dass zwischen ihm und der klagenden Partei kein Vertragsverhältnis bestanden habe, die Fläche am Vorfallstag ordnungsgemäß geräumt gewesen sei sowie dass den Mitarbeiter der Klägerin in jedem Fall ein Mitverschulden treffe, da dessen eigene Unachtsamkeit zum Sturz geführt habe.

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der OGH gab der Klage teilweise Folge und führte aus, dass eine Sorgfalts- und Schutzpflicht zugunsten dritter, am Vertrag nicht beteiligter Personen, von Lehre und Rechtsprechung dann angenommen werde, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrages anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragsschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde. Sie umfasse dritte Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maße gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Bestellt der Unternehmer Waren für sein Unternehmen, treffe ihn insofern eine vertragliche Verkehrssicherungspflicht als Nebenpflicht, als er mögliche Gefahrenquellen zu beseitigen und für eine gefahrlose Ablieferung der Ware zu sorgen habe. Gegen diese Verpflichtung habe der Beklagte im vorliegenden Fall verstoßen, da die Verpflichtung zur Freihaltung und Streuung von Zugängen hierbei nicht nur zwischen den Vertragspartnern selbst, sondern auch gegenüber den Erfüllungsgehilfen der Verkäuferin, so auch das von der Verkäuferin mit der vereinbarten Lieferung der Waren beauftragte Speditionsunternehmen, bestanden habe. Ungeachtet dessen treffe auch den Zusteller ein Verschulden, da er die Vereisung erkannt und vor dem Sturz bereits betreten gehabt, aber darauf nicht reagiert habe. Dieses Mitverschulden bewertete der OGH mit einem Viertel. Der Klage wurde daher teilweise Folge gegeben.