Verpflichtung des Fahrzeughändlers zum Rückkauf eines Fahrzeugs, das vom „Dieselskandal“ betroffen ist

Vertragsrecht Schadenersatzrecht
März 2023

Der Kläger hatte 2015 einen vom „Dieselskandal“ betroffenen VW Tiguan beim Erstbeklagten erworben. Das Fahrzeug war mit einer „Umschaltlogik“ ausgestattet, die für die Abgasrückführung einen Betriebsmodus für das Emissionsprüfungsverfahren mit einer relativ hohen Abgasrückführung und einen Betriebsmodus mit einer geringeren Rückführungsrate vorsah, der unter normalen Fahrbedingungen zum Einsatz gelangte. Nach Bekanntwerden der Verwendung dieser „Umschaltlogik“ wurden betroffene Fahrzeughalter seitens der Produzentin dazu aufgefordert, ihren PKW zu einem VW-Händler zu bringen, damit ein Software-Update installiert werden könne, welches den emissionsmindernden Modus auch bei normalen Fahrbedingungen ermöglichen sollte. Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach, sondern begehrte die Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug des Nutzungsentgelts gegen Rückstellung des Fahrzeugs. Er verweigerte das Update mit Hinweis darauf, dass der emissionsmindernde Modus nur bei Außentemperaturen von 15 bis 33 Grad Celsius wirksam sei. Dieses „Thermofenster“ würde dazu führen, dass die höhere Abgasrückführung nur während vier oder fünf Monaten im Jahr tatsächlich funktioniere.

Zur rechtlichen Einordnung der „Umschaltlogik“ und der möglichen Änderungen durch das Software-Update erfolgten bereits Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser stellte fest, dass nicht nur die ursprüngliche „Umschaltlogik“, sondern auch das „Thermofenster“ als Abschalteinrichtung gemäß Art 3 Z 10 Verordnung 715/2007/EU über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emission von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen („Typengenehmigungs-VO“) zu qualifizieren sei. Art 5 Abs 2 der Typengenehmigungs-VO normiert ein grundsätzliches Verbot von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern. Ausgenommen vom Verbot sind Abschalteinrichtungen dann, wenn sie notwendig sind um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Der EuGH hat diesbezüglich konkretisiert, dass eine Notwendigkeit nur dann vorliegt, wenn zum Zeitpunkt der Typengenehmigung dieser Einrichtung oder des Fahrzeugs, das damit ausgestattet ist, keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann. Im gegenständlichen Fall liege kein Verbotsausnahmetatbestand vor, woran auch das Software-Update nichts ändern könne, weil die Abschalteinrichtung aufgrund des „Thermofensters“ unter normalen Betriebsbedingungen – zumindest im deutschsprachigen Raum – aufgrund der Wetterbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktioniert.

Unter Zugrundelegung der Ausführungen des EuGH entschied der der Oberste Gerichtshof (OGH) sodann über die Gewährleistungsansprüche des Klägers gegen den Erstbeklagten. Er stellte zunächst ausdrücklich fest, dass das Fahrzeug des Klägers auch nach der angebotenen Verbesserung (Software-Update) mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Das Fahrzeug wäre demnach auch nach der Verbesserung mangelhaft im Sinne des § 922 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung des OGH kann der Übernehmer schon nach Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs Wandlung oder Preisminderung in Anspruch nehmen und müsse dasselbe gelten, wenn nur eine Maßnahme angeboten wird, die zur Herstellung eines einwandfreien Zustandes nicht geeignet ist. Darüber hinaus setzt § 932 Abs 4 ABGB voraus, dass der Mangel nicht geringfügig ist. Diesbezüglich sprach der OGH aus, dass eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass ein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, deren Verwendung nach Art 5 Abs 2 Typenbescheinigungs-VO verboten ist, nicht als geringfügig eingestuft werden kann.

Der OGH verpflichtete daher in seiner ersten inhaltlichen Entscheidung im Zusammenhang mit dem „Dieselskandal“ den Erstbeklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs. Der Kläger kann den Kaufpreis vom Erstbeklagten gegen Rückstellung des Fahrzeugs zurückverlangen und hat Anspruch auf Nutzen, den der Erstbeklagte aus dem Kaufpreis ziehen konnte (4 % Zinsen jährlich aus dem übergebenen Betrag). Der Kläger hat im Gegenzug für die Benützung des Fahrzeugs ein Entgelt zu entrichten, welches sich anhand der gefahrenen Kilometer wie folgt berechnet: Vereinbarter Kaufpreis x tatsächlich gefahrene km : im Erwerbszeitpunkt erwartbare Restlaufleistung.