Viehmängel: kurze Gewährleistungsfrist nur für Tierkrankheiten

Allgemeines Zivilrecht
Juli 2021


Nach den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) gilt für Viehmängel eine wesentlich verkürzte Gewährleistungsfrist von nur sechs Wochen.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte vor Kurzem nachfolgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Der Kläger wollte im Jahr 2018 Rinder kaufen und besichtigte am 3. Dezember 2018 die ihm zum Kauf angebotene Herde der Beklagten, die in einer riesigen Halle untergebracht war. Im Anschluss einigten sich die Parteien auf einen Kaufpreis von € 60.000,- für die gesamte Herde (Kühe und Jungtiere); eine bestimmte Anzahl von Tieren wurde nicht vereinbart. Beim Kauf wurde über die weitere Versorgung der Tiere bis zur Lieferung an den Kläger nicht ausdrücklich gesprochen, doch bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass die Tiere bis dahin weiterhin ordnungsgemäß von den Beklagten zu versorgen seien.

Bei der Besichtigung der Tiere am 3. Dezember 2018 waren diese gut genährt und auch sonst in einem guten gesundheitlichen Zustand. Zwischen der Besichtigung und der Lieferung der Tiere an den Kläger wurden die Tiere von den Beklagten nur mangelhaft versorgt. Es wurde ihnen nicht ausreichend gutes Futter und Wasser bereitgestellt, was zu einer Abmagerung der Tiere führte. Ihr Ernährungszustand am Tag der Lieferung war schlecht. Die Herde hatte am 20. Dezember 2018 nur noch einen Wert von € 58.081,-, jedes einzelne Tier hatte damals einen um 11,25 % geringeren Wert als am Tag der Besichtigung. Drei der Tiere waren bei der Lieferung in so schlechtem Zustand, dass sie sich nicht mehr selbständig erheben konnten und deshalb mit einer Seilwinde vom Lkw gezogen werden mussten. Sie erholten sich nicht mehr und starben am 28. Dezember 2018. Der Wert dieser Tiere bei der Besichtigung betrug insgesamt € 2.025,- netto. Auch diese Tiere hatten bis zum 20. Dezember 2018 einen Wertverlust von jeweils 11,25 % erlitten. Sie waren schon vor dem Transport in schlechter Verfassung und einem schlechten Ernährungszustand. Bei den Tieren lagen aber keine Krankheiten wie Leukose, Tuberkulose, Finnen, Lungenwurmseuche, Scheidenvorfall oder Zungenschlagen vor.

Der Käufer der Tiere und nunmehrige Kläger machte seine Gewährleistungsansprüche gerichtlich geltend. Die Beklagte brachte vor, die Gewährleistungsansprüche seien verfristet; die Mängel hätten als Viehmängel innerhalb von sechs Wochen geltend gemacht werden müssen.

In seiner Entscheidung sprach der OGH aus, dass die kurze sechswöchige Gewährleistungsfrist nur in Fällen gilt, in denen der Viehmangel auf eine Krankheit zurückzuführen ist. In Fällen wie dem vorliegenden, bei dem der schlechte Gesundheitszustand der Tiere auf eine unzureichende Versorgung derselben zurückzuführen ist, gelte hingegen die allgemeine zweijährige Frist. Die verkürzte Gewährleistungsfrist bei Krankheiten sei zur Verhinderung von Beweisschwierigkeiten eingeführt worden, die sich hinsichtlich einer Erkrankung von Tieren üblicherweise ergeben. Bei Viehmängeln aus anderen Gründen als Krankheit gäbe es jedoch keinen Grund für eine Fristverkürzung. Die Ansprüche des Klägers waren daher noch nicht verjährt und berechtigt.