Wegehalterhaftung bei elektrischer Viehsperre?

November 2017

Gemäß § 1319a Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) haftet der Wegehalter für den Ersatz des Schadens, wenn durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird, sofern der Wegehalter den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat. § 1319 ABGB hingegen zielt auf die Haftung für Schäden ab, die durch Einsturz oder Ablösen von Teilen eines mangelhaften (Bau-)Werks entstehen. Aufgrund der weiten Interpretation des Begriffes „Teil eines Werkes“ wird darunter alles verstanden, was mit dem Werk in fester Verbindung steht, wie z.B. Zauntore, Dachziegel, Abdeckung von Schächten und Aufgrabungen, etc. Für den Haftpflichtigen stellt § 1319 ABGB die strengere Norm dar, weil für die Anwendung dieser Norm leichte Fahrlässigkeit genügt, während im Falle des § 1319a ABGB eine Haftung grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz erfordert. Befindet sich demnach auf einem Weg ein (Bau-)Werk, stellt sich die Frage, welche Haftungsbestimmung zur Anwendung gelangt. Mit dieser Problematik beschäftigte sich kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH), dessen Entscheidung nachfolgender Sachverhalt zu Grunde lag:

Die Klägerin und ihr Ehegatte fuhren mit ihren Fahrrädern auf einem Radweg, der unter anderem durch ein Weidegebiet führt. Beim Durchfahren einer elektrischen Viehsperre kam die Klägerin zu Sturz, wodurch sie sich verletzte. Die Klägerin brachte daraufhin eine Klage gegen die Gemeinde, welche Halterin des Radweges ist, ein und begehrte u.a. Schmerzengeld.

In seiner rechtlichen Beurteilung führt der OGH aus, dass eine elektrische Viehsperre jedenfalls als Teil eines (Bau-)Werks anzusehen ist. Dies führe aber nicht gleichsam automatisch zur strengeren Haftung des § 1319 ABGB. Vielmehr stelle sich zusätzlich die entscheidende Frage, ob die Viehsperre eine dem Verkehr dienende Anlage bzw. eine im Zuge des Weges bestehende Anlage ist, also zum Weg gehört, diesfalls § 1319 ABGB durch die speziellere Norm des § 1319a ABGB verdrängt werde.

Der Grund für die privilegierte Haftung des Wegehalters nach § 1319a ABGB liege in der Interessenneutralität. Die Haftungsbeschränkung bestehe daher nur dann nicht, wenn der Wegehalter ein besonderes Interesse an dem betreffenden (Bau-)Werk besitzt oder die bauliche Anlage nach seiner Zweckbestimmung den Verkehr verhindern soll. Im vorliegenden Fall diene die Viehsperre aber vielmehr der Ermöglichung des Radverkehrs und der Benützung des Radweges. Auch könne im vorliegenden Fall kein deutlich überwiegendes Interesse des Wegehalters an der Viehsperre angenommen werden, weshalb vorliegend die (privilegierte) Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB zur Anwendung gelangt.

Da die elektrische Viehsperre im vorliegenden Fall weder mangelhaft war noch für die Klägerin eine atypische Gefahrenquelle darstellte, verneinte der OGH eine Haftung der beklagten Gemeinde. Die Klage wurde daher abgewiesen.