Wohnungseigentum: Verweigerte Zustimmung im Bauverfahren eines Miteigentümers – Rechtsmissbrauch?

Liegenschaftsrecht
Oktober 2020


Gemäß § 16 Abs 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) hat ein Wohnungseigentümer grundsätzlich das Recht, bauliche Änderungen an seiner Wohnung vorzunehmen. Wenn durch die Änderungen jedoch schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt werden, müssen alle anderen Wohnungseigentümer zustimmen. Wenn die anderen Wohnungseigentümer diese Zustimmung nicht erteilen, obwohl das Änderungsvorhaben ihre Rechte nicht unverhältnismäßig beschränkt, kann die fehlende Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden.

In seiner kürzlich ergangenen Entscheidung zu 5 Ob 119/20s hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem Verfahren über bauliche Änderungen an einer Wohnung folgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Die einzigen zwei Wohnungseigentümer eines Wohnhauses stritten sich aufgrund mehrerer baulicher Änderungen, die einer der Wohnungseigentümer vorgenommen hatte. Der andere Wohnungseigentümer weigerte sich, im Bauverfahren über die nachträgliche Bewilligung der bereits durchgeführten Zu- und Umbauten, seine Zustimmung zu erteilen und eine Fertigstellungsanzeige für die bereits errichtete Veranda zu unterfertigen. Hierauf beantragte der Bauführer beim Gericht, seinen Nachbarn zur Zustimmung und Unterfertigung zu verpflichten.

Das erstinstanzliche Gericht stellte fest, dass der Nachbar seine Wohnung erst nach Durchführung der baulichen Änderungen erworben hatte. Der vorherige Eigentümer hatte dabei den Änderungen schon zugestimmt. Hierauf bezugnehmend verwies der im Instanzenzug angerufene OGH in seinem Urteil auf die bereits ergangene Rechtsprechung und sprach aus, dass ein Einzelrechtsnachfolger (hier: der Erwerber der Wohnung) an die Zustimmung des vorherigen Eigentümers zu baulichen Änderungen gebunden ist, wenn die genehmigten Änderungen tatsächlich durchgeführt wurden und der Einzelrechtsnachfolger seine Wohnung in dem durch die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer rechtmäßig veränderten Zustand erworben hat. Diese Voraussetzungen waren im gegenständlichen Fall erfüllt.

Darüber hinaus sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Weigerung des zweiten Wohnungseigentümers, die an die Baubehörde gestellten Anträge zu unterfertigen, rechtsmissbräuchlich sei. Sein Interesse, die Unterfertigung zu verweigern, stehe nämlich in einem krassen Missverhältnis zum Interesse des anderen Wohnungseigentümers an der ordnungsgemäßen Durchführung des Bauverfahrens.