Mitverschulden bei ärztlichem Behandlungsfehler?

März 2016


Hat eine körperliche Verletzung den Tod zur Folge, hat der Verursacher nicht nur alle mit dem Tod verbundenen Kosten (z.B. Begräbniskosten) zu ersetzen, sondern den Hinterbliebenen, für welche der Getötete Unterhalt zu leisten hatte, auch für den entgangenen Unterhalt aufzukommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) müssen sich die Hinterbliebenen dabei ein allfälliges Mitverschulden des Getöteten anrechnen lassen. Hierbei genügt eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt.

Wurde der Unterhaltsverpflichtete etwa bei einem Verkehrsunfall getötet, an dessen Zustandekommen ihn ein Mitverschulden von 50% trifft, sind die Ansprüche der Hinterbliebenen um 50% zu kürzen.

Einer kürzlich vom OGH entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Im September 2010 verursachte der Lenker eines LKWs einen Verkehrsunfall, bei welchem er – trotz entsprechender Warnhinweise – auf der rechten Spur der Autobahn blieb und gegen einen am rechten Fahrstreifen stehenden LKW prallte. Der Lenker wurde dadurch schwer verletzt. Bei der anschließenden notärztlichen Versorgung unterlief dem Notarzt ein Behandlungsfehler, wodurch der Lenker verstarb.

Der Unfallversicherungsträger, welcher den Hinterbliebenen die Bestattungskosten ersetzte und entgangenen Unterhalt leistete, klagte in weiterer Folge den behandelnden Notarzt und begehrte den Rückersatz der vom Unfallversicherungsträger getätigten Aufwendungen. Der Notarzt wandte ein, dass sich die Hinterbliebenen ein Mitverschulden des Unfalllenkers anrechnen lassen müssen, weil erst ein gravierendes Eigenverschulden den Verstorbenen in die äußert komplizierte Behandlungssituation gebracht habe.

Der OGH führte in seiner Entscheidungsbegründung aus, dass im Arzthaftungsrecht das haftungsbegründende Verschulden des Arztes im Behandlungsfehler oder der unzureichenden Aufklärung über eine Komplikation liegt. Daher können nur solche Umstände ein allfälliges Mitverschulden des Patienten begründen, die dazu führen, dass der durch den Behandlungs- oder Aufklärungsfehler verursachte Schaden vergrößert oder eine Verringerung des Schadens vereitelt wird. Ein Eigenverschulden des Patienten an seiner Behandlungsbedürftigkeit kann die Ansprüche des Patienten (oder dessen Hinterbliebenen) nicht mindern. Die Annahme eines Mitverschuldens des Patienten wegen schuldhafter Herbeiführung seines behandlungsbedürftigen Zustandes verbietet sich daher.