Streu- und Räumpflicht bei Gehsteigen

November 2018


Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin verletzte sich am 21. Jänner 2017 gegen 14 Uhr bei einem Sturz auf einem schneebedeckten Gehsteig. Der Gehsteig verläuft im Ortsgebiet auf einem Privatgrundstück der Beklagten entlang einem ihr gehörenden Gebäude.

Die Beklagte hatte der Gemeinde im Jahr 1994 die „Dienstbarkeit des Gehsteigs“ eingeräumt. Vor dem Sturz der Klägerin führten Gemeindemitarbeiter „seit Jahren“ den Winterdienst durch, indem sie auf den Gehsteigen Split streuten. Ob sie auch Schnee räumten, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Im Spätherbst teilte die Gemeinde „seit Jahren“ auf ihrer Website und im Gemeindeblatt unter Hinweis auf die die Eigentümer treffende Verpflichtung nach § 93 Straßenverkehrsordnung (StVO) mit, dass die fallweise Gehsteigräumung durch den Winterdienst der Gemeinde nur zur Unterstützung der Anrainer erfolgt, die Grundstückseigentümer aber nicht von ihren Anrainerpflichten befreit.

Gemäß § 93 Abs 1 StVO haben nämlich die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten, land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften, dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Beim Unfall der Klägerin war der Gehsteig nahezu zur Gänze mit einer Schnee- und Eisschicht bedeckt; gestreuter Split war nur teilweise, hauptsächlich in unteren Schichten, vorhanden. Die Beklagte selbst hatte weder am Unfalltag noch in den Tagen davor gestreut oder geräumt.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes und gab der Schadenersatzklage zur Gänze Folge. Nach Ansicht des OGH bestehe daher Zweifel, dass die Beklagte grundsätzlich zur Räumung und Streuung verpflichtet war. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Räum- und Streupflicht im Sinne des § 93 Abs 5 StVO sei nicht vorgelegen. Da nicht festgestellt werden konnte, dass die Gemeinde auf den Gehsteigen auch für die Schneeräumung gesorgt hat (erwiesen ist lediglich ein zeitweises Streuen), könne auch nicht von einer konkludenten Übernahme der Räum- und Streupflicht durch die Gemeinde gesprochen werden. Daher hat die beklagte Grundeigentümerin für den Schaden einzustehen.