Verkehrssicherungspflichten im Supermarkt

Januar 2016


Jeden Inhaber eines Geschäftslokales trifft gegenüber Kunden die (vor-)vertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokales Sorge zu tragen. Insbesondere hat der Inhaber des Geschäftes die seiner Verfügung unterliegenden Anlagen, die er den Kunden zur Benutzung einräumt, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Er muss alle erkennbaren Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten.

Wie bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf Skipisten (siehe unseren Beitrag „Verkehrssicherungspflichten dürfen nicht überspannt werden“) dürfen auch in solchen Fällen die (vor-)vertraglichen Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden. Es soll nämlich zu keiner vom Verschulden unabhängigen Haftung des Sicherungspflichtigen kommen. Es kann daher nicht die Beseitigung aller nur möglicher Gefahrenquellen gefordert werden, sondern findet jede Verkehrssicherungspflicht ihre Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Zudem richten sich Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können. Vom Besucher eines Supermarktes (Kaufhauses) ist zudem zu erwarten, dass er der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet.

Einer kürzlich entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Der klagende Kunde rutschte in einem Geschäftslokal der beklagten Supermarktkette in einer etwa 1m x 1m großen Lacke, die sich bei der Palette mit den isotonischen Getränken gebildet hatte, aus und zog sich eine Verletzung am Knie zu.

Während das Erstgericht eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten annahm und ein Mitverschulden des Kunden von einem Drittel feststellte, zumal er die Lacke hätte wahrnehmen können, wenn er „vor seine Füße geschaut hätte“, wies das Berufungsgericht das Klagebegehren zur Gänze ab, weil seiner Ansicht nach kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass die Lacke vor dem Unfall bereits so lange bestanden habe, dass ihr Übersehen den Mitarbeiter der Beklagten als Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht angelastet werden könne.

Der OGH hingegen vertrat die Auffassung, dass das Bestehen einer Lacke in einem stark frequentierten – zur Kassa führenden – Gang (aller Erfahrung nach) darauf schließen lasse, dass vom Betreiber des Supermarktes die geforderte Kontroll- und Beseitigungspflicht nicht eingehalten wurde. Es obliege daher dem beklagten Supermarktbetreiber zu beweisen, dass es zur Entstehung und zum Aufrechtbleiben der Gefahrenquelle ohne ein Verschulden ihrer Mitarbeiter gekommen ist. Um diese Fragen abschließend zu klären, wurde die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.