Aufforderungs- und Hinweispflicht des Arbeitgebers betreffend die Verjährung von Urlaubsansprüchen

Arbeitsrecht
September 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger war von 2003 bis Ende 2020 als Wildhüter und Gutsverwalter angestellt und an 7 Tagen der Woche tätig. Während des aufrechten Dienstverhältnisses hat er 121 Urlaubstage verbraucht. Bei seiner Urlaubsvertretung handelte es sich immer um Aushilfskräfte, die aufgrund fehlenden Wissens und Erfahrung die Aufgaben des Klägers nie ganz übernehmen konnten, sodass er auch nicht mehr Urlaub konsumiert hat.

Das Dienstverhältnis des Klägers wurde mit Kündigungsschreiben vom 10.8.2020 zum 31.12.2020 beendet. Die Beklagte leistete eine Urlaubsersatzleistung in Höhe von € 9.131,53, welche ihm erst am 22.9.2021 zur Gänze ausbezahlt wurde. Der Kläger begehrte Verzugszinsen aus der bereits erhaltenen Urlaubsersatzleistung und eine zusätzliche Urlaubsersatzleistung in Höhe von € 34.369,57 für die zum Ende des Dienstverhältnisses noch offenen 322,75 Urlaubstage. Er verwies darauf, dass er weder dazu aufgefordert wurde, seinen noch offenen Urlaub zu konsumieren, noch auf die drohende Verjährung gem § 4 Abs 4 Urlaubsgesetz (UrlG), auf die sich die Beklagte nunmehr stütze, aufmerksam gemacht worden war.

Das Erstgericht gab dem Zinsbegehren statt, wies das darüberhinausgehende Zahlungsbegehren jedoch ab und begründete dies damit, dass die Verjährung des Urlaubsanspruchs unabhängig davon eintrete, aus welchen Gründen der Urlaub nicht konsumiert wurde. Der Kläger habe zwar ein hohes Pflichtbewusstsein gegenüber den Tieren und dem Gutsbetrieb gehabt, sei aber nicht daran gehindert worden, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass dem Kläger zusätzlich eine Urlaubsentschädigung in Höhe von € 24.260,89 (netto) zugesprochen wurde. Bei seiner Entscheidung verwies es auf die jüngste Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in der RS C-120/21 (LB gegen TO) im Zusammenhang mit Artikel 7 der Arbeitszeit-Richtlinie (2003/88/EG) und Artikel 31 Abs 2 Grundrechtecharta (GRC). In dieser Entscheidung hat der EuGH festgehalten, dass die beiden Bestimmungen einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach welcher der Urlaubsanspruch nach Ablauf von drei Jahren verjährt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht zum Verbrauch des Urlaubs aufgefordert und über die drohende Verjährung informiert hat. Das Berufungsgericht verwies weiters darauf, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dazu führe, dass § 4 Abs 4 UrlG unangewendet bleiben muss. Nachdem Artikel 7 Absatz 2 der Arbeitszeit-Richtlinie allerdings nur einen Jahresurlaub von 4 Wochen vorsieht, sei der darüberhinausgehende Urlaubsanspruch des Klägers tatsächlich verjährt, sodass der Kläger nur einen Anspruch auf Urlaubsersatz für 180 nicht verbrauchte Urlaubstage habe. Der Arbeitgeber könne sich ansonsten seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer entziehen und wäre durch den Urlaubsverfall bereichert.

Der OGH schloss sich der Meinung des Berufungsgerichts an und hielt nochmal fest, dass nach ständiger EuGH-Rechtsprechung der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist seinen Urlaub zu konsumieren. So sei letzterer allenfalls aufzufordern, Urlaub anzutreten, sowie klar und rechtzeitig darüber zu informieren, dass der nicht in Anspruch genommene Urlaub am Ende des zulässigen Übertragungszeitraumes verfällt. Bezugnehmend auf die bereits vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung hielt der OGH nochmal ausdrücklich fest, dass „aufgrund dieser Entscheidung des EuGH nunmehr fest[steht], dass der unionsrechtlich gesicherte Urlaubsanspruch nicht verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seiner Aufforderungs- und Hinweispflicht gegenüber dem Arbeitnehmer nicht nachgekommen ist.“

Dem Einwand der Beklagten, dass der Kläger tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätte den Urlaub zu konsumieren, sei darüber hinaus entgegenzuhalten, dass „nach der Rsp des EuGH schon ein Verhalten des Arbeitgebers, das den Arbeitnehmer davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu konsumieren, gegen das mit dem Recht auf Jahresurlaub verfolgten Ziel verstößt. Dass dem Kläger Urlaub gewährt worden wäre, wenn er ihn […] beansprucht hätte, führt deshalb noch nicht zur Verjährung des nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs.“