Aufgefundene Sparbücher bei Liegenschaftsverkauf
Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Eine im Jahr 2016 Verstorbene hatte die klagenden Kirchen(‑gemeinden) zu gleichteiligen Erben ihres Vermögens eingesetzt. In der Verlassenschaft befand sich auch eine Liegenschaft mit einem Haus. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens wurde unter anderem ein Sachverständigengutachten über den Verkehrswert der im Wohnhaus befindlichen Fahrnisse eingeholt. In seinem Gutachten gelangte der Sachverständige zum Ergebnis, dass die Fahrnisse wertlos seien. Die Beklagten, denen vom Makler gesagt wurde, dass das Haus so wie es sei, also ungeräumt, verkauft werden soll, kauften im Jahr 2017 gemeinsam diese Liegenschaft aus der Verlassenschaft.
Im Kaufvertrag ist festgehalten, dass die Liegenschaft samt Wohnhaus „mit allem tatsächlichen, rechtlichen und fest verbundenen Zubehör“ verkauft wird. Weiters ist im Kaufvertrag festgehalten, dass der Kaufgegenstand von der Verkäuferseite nicht geräumt, „sondern mit allen darin verbleibenden Fahrnissen übergeben“ wird.
Im Zuge der Räumung des Hauses entdeckten die Beklagten in der Schublade eines Tisches drei Sparbücher mit einer Einlage in Höhe von mehr als € 36.000,-.
Die klagende Kirchen(-gemeinde) begehrte von den beklagten Käufern die Herausgabe der drei Sparbücher. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der OGH hingegen gab der Klage Folge und führte in seiner Begründung nachfolgendes aus:
Bei der Auslegung von Verträgen ist ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung die Absicht der Parteien zu erforschen. Lässt sich – wie hier – ein vom objektiven Erklärungswert abweichender übereinstimmender Wille der Parteien nicht feststellen, so ist der Vertrag unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und der Übung des redlichen Verkehrs so auszulegen, wie er für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war. Für die Beurteilung der Frage, ob die Sparbücher zum Kaufgegenstand gehörten, komme es damit allein auf die Auslegung des Kaufvertrages an.
Gemäß dem vorliegenden Kaufvertrag wird die Liegenschaft samt Wohnhaus mit allem tatsächlichen, rechtlichen und fest verbundenen Zubehör übergeben. Mit dem Begriff „Zubehör“ werde das Inventar angesprochen, das zum gewöhnlichen Gebrauch des Hauses dient. Die weitere Bestimmung im Kaufvertrag, wonach der Vertragsgegenstand nicht geräumt, sondern mit allen darin verbleibenden Fahrnissen übergeben wird, stehe mit der oben genannten Bestimmung im sachlichen Zusammenhang, nämlich dass der Vertragsgegenstand von der Verkäuferseite nicht geräumt wird. Durch den Zusatz „sondern mit allen darin verbleibenden Fahrnissen übergeben“ soll dieser Regelungsinhalt erklärt, aber nicht geändert werden. Nach diesem Vertragspunkt sollte sich die Verkäuferseite somit die Räumung, die mit Arbeit und Kosten verbunden war, ersparen. Auch die Beklagten mussten aufgrund der offenbaren Wertlosigkeit der Fahrnisse davon ausgehen, lediglich wertloses oder geringwertiges Mobiliar gekauft zu haben. Mit dem Begriff „Fahrnisse“ seien bei redlicher Vertragsauslegung damit nur jene beweglichen körperlichen Sachen gemeint, die vom Sachverständigen als wertlos beurteilt wurden. Die in Rede stehenden, zunächst verborgen gebliebenen Sparbücher zählen jedoch nicht dazu.
Im Übrigen werde auch nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zwischen Fahrnissen bzw. Inventar und Geld unterschieden. Zum Inventar gehören beispielsweise Möbel oder Bilder und alles, was der fortdauernden Bewohnung dienlich ist, nicht aber Bargeld, Wertpapiere oder andere Pretiosen, weil sie nicht dem fortdauernden Gebrauch der Liegenschaft gewidmet sind.
Da die verfahrensgegenständlichen Sparbücher nicht zum Gegenstand des Kaufvertrags gehören, sind die Beklagten verpflichtet, diese der Klägerin herauszugeben.