Die Akteneinsicht im Verlassenschaftsverfahren erstreckt sich nicht auf den Handakt des Gerichtskommissärs

Erbrecht Allgemeines Zivilrecht
March 2024

Der 2018 verstorbene Erblasser setzte seine Ehefrau erbvertraglich und testamentarisch zur Alleinerbin ein, welche auch eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte. Die Antragstellerin, eine der Töchter des Erblassers und seiner Ehefrau, behauptete Erbunwürdigkeit der Alleinerbin und gab eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Sie beantragte die Gerichtskommissärin aufzufordern, binnen 14 Tagen ihren Handakt im Original an das Verlassenschaftsgericht zu übermitteln und Akteneinsicht in diesen zu gewähren.

Die Antragstellerin brachte vor, dass ihr ein Recht auf Akteneinsicht nach Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zustehe. Gegen diesen Antrag brachten die Alleinerbin und Gerichtskommissärin vor, dass das Recht auf Akteneinsicht nur bei Gericht befindliche Prozessakten umfasse. Das Erst- und Zweitgericht wiesen den Antrag ab, der OGH beurteilte den Revisionsrekurs zur Klarstellung der Rechtslage als zulässig und führte aus:

Akteneinsicht ist die einmalige Informationsaufnahme aus dem Gerichtsakt und soll die effektive Ausübung des rechtlichen Gehörs sowie die Waffengleichheit garantieren. Die Akteneinsicht im Verlassenschaftsverfahren richtet sich nach § 22 Außerstreitgesetz (AußStrG) in Verbindung mit § 219 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Bestimmung steht den Parteien die volle Akteneinsicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung haben Personen im Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich erst dann Parteistellung, wenn sie eine Erbantrittserklärung abgegeben haben.

Die Akteneinsicht umfasst grundsätzlich sämtliche die Rechtssache der Parteien betreffenden, bei Gericht befindlichen Prozessakten. Der Prozessakt besteht aus allen bei Gericht bleibenden schriftlichen Unterlagen über den Rechtsstreit. Er umfasst die Urschriften der Eingaben der Parteien und der anderen Verfahrensbeteiligten, die gerichtlichen Protokolle und Aktenvermerke, die Beweisaufnahmeprotokolle eines beauftragten oder ersuchten Richters und die Beilagen (Urkunden, Beweisstücke, Niederschriften, allenfalls Vollmachten) sowie die Urschriften der Entscheidungen und Verfügungen des Gerichts und auch den allein das Verfahren betreffenden Schriftwechsel mit anderen Behörden, soweit darüber nicht eigene Akten zu bilden sind. Der behördliche Akt ist die eine bestimmte Rechtssache betreffende Sammlung von Aufzeichnungen behördeninterner und -externer Vorgänge einschließlich der diese Vorgänge belegenden körperlichen Sachen. Neben den in § 219 ZPO ausdrücklich angeführten Ausnahmen bezieht sich die Akteneinsicht daher nur auf Unterlagen, die zum Bestandteil der Prozessakten gemacht wurden.

Wendet man nunmehr diese Grundsätze auf das Verlassenschaftsverfahren an, ist zunächst festzuhalten, dass der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren als Organ der Rechtspflege tätig wird. Nach § 9 Abs. 5 Gerichtskommissärsgesetz (GKG) hat der Notar die für die Gerichte geltenden Vorschriften bei seiner Tätigkeit als Gerichtskommissär sinngemäß anzuwenden. Dies gilt insbesondere für den Allgemeinen Teil des AußStrG.

Die Handakte der Notare enthalten Informationsaufnahmen, Urkundenentwürfe, Schriftenwechsel, Aktenvermerke, Besprechungsnotizen, beglaubigte Kopien von Urkunden etc. Sie werden meist nach Erledigung der Causa beim Notar geordnet aufbewahrt und dienen der Rekonstruktion seinerzeitiger Vorgänge im Fall verloren gegangener Urkunden oder im Rechtsstreit. Sie unterstützen das Erinnerungsvermögen des Notars und helfen bei der Abwehr von vermeintlichen Schadenersatzansprüchen gegen ihn und sind nicht Teil des gerichtlichen Verlassenschaftsakts und besteht in diesem Zusammenhang auch kein Recht auf Akteneinsicht.