Entgeltfortzahlung bei einvernehmlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Der Kläger begehrte von der Beklagten Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 06.03.2023 bis 06.04.2023, und brachte vor, dass es sich hierbei um die Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstdauer handle. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, der Entgeltfortzahlungsanspruch sei jeweils als Kontingent eines Arbeitsjahres zu sehen. Da der 05.03.2023 der letzte Tag des am 06.03.2022 begonnen Arbeitsjahres des Klägers gewesen sei, ende die Entgeltfortzahlung an diesem Tag.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt; der OGH bestätigte diese Entscheidungen und hielt fest:
§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geht davon aus, dass das Arbeitsverhältnis auch während einer Arbeitsverhinderung oder im Hinblick auf einen Arbeitsverhinderung nach § 2 EFZG (Krankheitsfall) beendet werden kann. In den in § 5 EFZG genannten Fällen – darunter die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses während einer Arbeitsverhinderung nach § 2 EFZG – bleibt der Entgeltfortzahlungsanspruch „für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer“ bestehen, „wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet.“
Die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei einer nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführten Arbeitsverhinderung durch Krankheit ergibt sich aus § 2 Abs. 1 EFZG. Bei wiederholter Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs. 4 EFZB nur insoweit, als die Dauer nach Abs. 1 noch nicht erschöpft ist. Diese Bestimmung hat folgende Konsequenz: Die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach Abs. 1 verringert sich um alle innerhalb desselben Arbeitsjahres gelegenen Zeiträume, für die der Arbeitnehmer bereits einen Entgeltfortzahlungsanspruch nach Abs. 1 hatte. Die in Abs. 1 geregelte Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs darf innerhalb eines Arbeitsjahres nicht überschritten werden.
Das Höchstgericht betonte, dass es in seiner Rechtsprechung die Regelung des § 2 Abs. 1 und 4 EFZG mehrmals als „Kontingentsystem“ bezeichnet hat. Daraus folge aber nicht, dass der Arbeitnehmer in einem Fall des § 5 EFZG eine Entgeltfortzahlung nur bis zum (fiktiven) Ende seines letzten Arbeitsjahres beanspruchen könnte. Eine solche „Arbeitsjahrbezogenheit“ des Entgeltfortzahlungsanspruchs sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr gewährleistet § 5 EFZG in den darin geregelten Fällen die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents des Entgeltfortzahlungsanspruchs für das laufende Arbeitsjahr. Dem kranken Arbeitnehmer soll „der volle Anspruch auf Ausschöpfung des nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlung aus dem laufenden Arbeitsjahr auch dann gewahrt bleiben, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Arbeitsverhinderung erfolgt.“ Die Ansicht der Beklagten, der Arbeitnehmer könne die Entgeltfortzahlung nur bis zum (fiktiven) Ende des letzten Arbeitsjahres beanspruchen, würde – so der OGH – den Zweck des § 5 EFZG aushöhlen und mit dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des EFZG im Widerspruch stehen.