Foto von einer Postkarte genießt Leistungsschutzrecht
Der Kläger verweigerte seine Zustimmung, was den Beklagten nicht davon abhielt, eine Abbildung in seinem 2022 erschienenen Buch zu veröffentlichen. Der Kläger machte in weiterer Folge als Hersteller des Lichtbildes einen Eingriff in sein Leistungsschutzrecht nach § 74 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geltend; der Beklagte berief sich auf die freie Werknutzung im Sinne eines „wissenschaftlichen Großzitats“ nach § 42 f. Abs. 1 Z.1 UrhG.
Der OGH befasste sich mit der Rechtsfrage, ob das Abfotografieren eines Schriftstücks Leistungsschutz nach § 74 UrhG begründe. Das Höchstgericht hielt zunächst fest, dass ein „bloßes Lichtbild“ nach § 73 UrhG von einem „Lichtbildwerk“ nach § 3 Abs. 1 UrhG zu unterscheiden sei. Nach § 74 Abs. 1 UrhG hat der Hersteller eines Lichtbildes unter anderem das ausschließliche Recht, das Lichtbild zu vervielfältigen, zu verbreiten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, wobei Ansprüche aus dem Urheberrecht an Lichtbildwerken und aus dem Leistungsschutzrecht an Lichtbildern grundsätzlich nebeneinander bestehen.
In Abgrenzung zum urheberrechtlichen Schutz von Lichtbildwerken ist beim Leistungsschutzrecht des § 74 UrhG davon auszugehen, dass in der Aufnahme eines Lichtbildes gerade keine eigentümliche Gestaltung des Geschauten oder innerlich Erlebten liegt, sondern eine mit technischen Mitteln bewirkte bildliche Festlegung eines Ausschnitts der Außenwelt. Damit fällt auch eine „rein technische Leistung“ des Lichtbildners „die nicht einmal besondere Fähigkeiten voraussetzt“ unter den Leistungsschutz. Mangels Eigentümlichkeit ist das Foto der Postkarte zwar nicht als Lichtbildwerk, aber sehr wohl als Lichtbild zu qualifizieren. Auch bei einer durch Abfotografieren hergestellten Reproduktionsaufnahme von einer Postkarte liegt ein Mindestmaß an Aufnahmefähigkeit vor.
Zu dem Vorbringen des Beklagten wandte der OGH ein, dass allenfalls ein Bildzitat in Betracht komme. Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Lichtbildes als Bildzitat ist Voraussetzung, dass das in einem Werk wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hat. Ein Zitat darf nicht zu dem Zweck gebraucht werden, das zitierte Werk, um seiner selbst Willen der Allgemeinheit zur Kenntnis zu bringen. Das bloße Anführen zur Veranschaulichung oder Illustration geht über den engen Zitatbegriff hinaus. Ein nach § 42 f. UrhG zulässiges Bildzitat muss vielmehr erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Bild dienen. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen Werk und dem fremden Lichtbild hergestellt werden. Die Nutzung des zitierten Lichtbildes muss damit gegenüber den Aussagen des Nutzers akzessorischer Natur sein; das Zitat darf nicht so umfangreich sein, dass es die normale Verwertung des Lichtbildes beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt werden.
Darüber hinaus darf die Zitierfreiheit nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird. Das Zitat darf auch kein Ersatz und keine Konkurrenz der unmittelbaren Verwertung des benutzten fremden Werks sein und die berechtigten Interessen des Urhebers nicht ungebührlich verletzen. Im gegenständlichen Fall hat der Beklagte das Lichtbild nur zur Illustration seiner eigenen Ausführungen verwendet. Das Lichtbild des Klägers diente dem Beklagten nicht zu einer näheren Auseinandersetzung mit diesem, sondern wurde nur zu eigenen Zwecken verwertet. Die Veröffentlichung des Lichtbildes im Buch des Beklagten verletzte demnach das Leistungsschutzrecht des Klägers.