Haftung eines Schwimmlehrers für tödlichen Badeunfall eines Kleinkindes

Schadenersatzrecht Allgemeines Zivilrecht
December 2023

Einer kürzlich vom Oberlandesgericht Innsbruck (OLG Innsbruck) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Ein fünfjähriger Junge verstarb nach einem Badeunfall, der sich im Rahmen eines Anfänger- Schwimmkurses ereignete und der vom beklagten Verein angeboten wurde. Der Schwimmkurs wurde von einem Sportlehrer, der auch staatlich geprüfter Schwimmlehrer ist, durchgeführt. Insgesamt nahmen acht Kinder an dem Kurs teil und der Sportlehrer war die einzige Aufsichtsperson.

Am Unfalltag erfolgte die Kurseinheit in einem 1,2 m tiefen „Nichtschwimmerbecken“. Die Kinder sollten mit einer „Schwimmnoodle“ ins Wasser zum Schwimmlehrer springen und dann zum gegenüberliegenden Beckenrand schwimmen, wo sie das Becken wieder verlassen sollten. Es befanden sich immer drei Kinder gleichzeitig im Wasser und der Schwimmlehrer kontrollierte alle 2-3 Minuten, ob alle Kinder da sind, und zählte sie durch. Dennoch befand sich der Junge – aus nicht mehr klärbaren Gründen – für mindestens 4 Minuten mit dem Kopf unter Wasser. Nach einer notärztlichen Reanimation wurde er in die Klinik Innsbruck gebracht, wo er 7 Tage später verstarb.

Die Kläger, die Eltern und die Schwester des verstorbenen Jungen, begehrten von dem beklagten Verein Trauerschmerzengeld in der Höhe von jeweils € 30.000,-. Sie gründeten den Anspruch auf die erhebliche psychische Belastung, die mit den Tagen der Ungewissheit und dem Tod des Jungen einherging. Der Beklagte wendete ein, dass das tödliche Unglück weder auf eine Sorgfaltswidrigkeit oder ein Fehlverhalten des staatlich geprüften Schwimmlehrers bzw. Organisationsverschulden seinerseits zurückzuführen sei. Das OLG Innsbruck führte als Rekursgericht dazu aus wiefolgt:

Der Anspruch auf Trauerschmerzengeld wegen dem Verlust eines nahen Angehörigen erfordert grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz auf Seiten des Schädigers. Grobe Fahrlässigkeit liegt bei einer ungewöhnlichen und auffallenden Sorgfaltsvernachlässigung vor. Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen hätte müssen, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern.

Trifft eine Person eine Aufsichtspflicht, so bestimmt sich das Maß dieser Pflicht danach, was angesichts des Alters, der Eigenschaft und Entwicklung der Aufsichtsbedürftigen vom Aufsichtsführenden vernünftigerweise verlangt werden kann. Für das Ausmaß der Aufsichtspflicht sind immer die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falls maßgeblich.

Im gegenständlichen Fall habe der Schwimmlehrer nach Ansicht des OLG Innsbruck die ihn am Unfalltag treffende Aufsichtspflicht gröblich verletzt. Dies ergebe sich zum einen aus dem Umstand, dass er aufgrund der konkreten Umstände jedenfalls jene Kinder, welche sich gerade im Wasser befanden, durch Kontrollblicke im Abstand von höchstens einigen Sekunden überwachen hätte müssen. Dass der Schwimmlehrer nur alle 2-3 Minuten eine solche Kontrolle durchführte, sei unter den gegebenen Umständen – insbesondere der Gefährlichkeit der Situation – und dem Wert der gefährdeten Interessen, nämlich dem durch Ertrinken gefährdeten Leben der am Schwimmkurs teilnehmenden Kinder, als ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltsvernachlässigung zu werten. Gerade einem erfahrenen Schwimmlehrer, dem die hohe Schadenswahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens offenkundig sein muss, sei diese Verletzung der Aufsichtspflicht auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen.

Das OLG Innsbruck hielt darüber hinaus fest, dass der Schwimmlehrer dem Verein, der den Schwimmkurs veranstaltete, als Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB zurechenbar sei. Der Beklagte haftet daher für das Verschulden des Schwimmlehrers wie für sein eigenes Verhalten.