Neues zum Pflegevermächtnis

Erbrecht
June 2025

Beim Pflegevermächtnis handelt es sich um ein im Rahmen des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 (ErbRÄG 2015) neu eingeführtes gesetzliches Vermächtnis. Als gesetzliches Vermächtnis gebührt es den anspruchsberechtigten Personen unabhängig von einer letztwilligen Verfügung. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass Pflegeleistungen, die gegenüber dem Erblasser zu Lebzeiten erbracht wurden, schon im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens Berücksichtigung finden. Ein Pflegevermächtnisanspruch besteht dann, wenn eine dem Verstorbenen nahestehende Person diesen innerhalb der letzten drei Jahre vor seinem Tod über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt hat.

Das Pflegevermächtnis wird in den §§ 677 und 678 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) geregelt und handelt es sich hierbei um einen Geldanspruch. Grundvoraussetzung eines Anspruchs ist nach dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Anspruchsberechtigte „Pflegeleistungen“ gegenüber der pflegebedürftigen Person erbringt, wobei gemäß § 677 Abs 2 ABGB unter „Pflege“ jede Tätigkeit zu verstehen ist, die den Zweck verfolgt, einer pflegebedürftigen Person möglichst die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie ihre Chancen für ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben zu verbessern. Welche Leistungen schlussendlich als Pflegeleistungen zu bewerten sind, hängt vom tatsächlichen Pflegebedarf des Gepflegten ab und muss letztendlich durch Gesetzesauslegung eruiert werden.

In einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) befasste sich das Höchstgericht mit der Reichweite des in § 677 Abs 2 ABGB verankerten Pflegebegriffs. Hierbei galt zu beurteilen, ob Besuche, Telefonate und Organisationsleistungen zu Gunsten einer in einem Pflegeheim untergebrachten Erblasserin rechtlich als von §§ 677 f ABGB erfasste Pflegeleistungen anzusehen sind. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: 

Die Erblasserin wurde im Jahr 2015 in Folge einer Knieoperation von der Beklagten in einem Pflegeheim untergebracht, wo sie letztlich aufgrund ihres verschlechternden Gesundheitszustandes bis zu ihrem Tod verblieb. Sie aß im Heim und bekam Körperpflege. Die Beklagte besuchte die Erblasserin etwa einmal im Monat. Die Erblasserin war allerdings ein „schwieriger“ Mensch, weshalb sie die Beklagte täglich anrief, um etwaige Komplikationen im Rahmen der Pflege der Erblasserin durch die PflegerInnen hintanzuhalten. Diese Telefonate dauerten häufig mehrere Stunden. Während des Heimaufenthalts kümmerte sich die Beklagte um die Betreuung durch eine Psychologin, traf sämtliche ärztliche Entscheidungen für die Erblasserin und war Ansprechperson gegenüber der Heimleitung sowie dem Pflegedienst. Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung seines Pflichtteils. Dagegen wandte die Beklagte ein, dass sie gegenüber der Erblasserin unmittelbar vor deren Ableben Pflegeleistungen erbracht habe, die ihr einen über die Klagsforderung hinausgehenden Pflegevermächtnisanspruch vermitteln würden. Das Erst- und dem folgend das Berufungsgericht gaben der Klage statt und verneinten die von der Beklagten behauptete Gegenforderung – aufgrund der Unterbringung der Erblasserin im Heim erfolgten gerade keine Pflegeleistungen im Sinne des § 677 ABGB, zumal bloße Besuche und Telefonate nicht unter den Pflegebegriff subsumiert werden könnten. Auch ein allfälliger bereicherungsrechtlicher Anspruch wurde abgelehnt. Schlussendlich wurde der OGH im Rahmen einer ordentlichen Revision zur Frage befasst, wie sich eine Heimpflege auf das Pflegevermächtnis auswirkt, und ob telefonische und psychische Betreuungsleistungen einen Pflegevermächtnisanspruch begründen könnten.

In der bisherigen Rechtsprechung des OGH wurde bereits klargestellt, dass während Zeiten von Spitals- oder Heimpflege mangels (objektiv) erforderlicher Betreuungsleistungen ein Anspruch nach § 677 ABGB in der Regel ausscheidet. Generell gilt, dass für Zeiten einer Fremdpflege ein Pflegevermächtnisanspruch nur insoweit bestehen kann, als in dieser Zeit sonstige Pflegeleistungen zugunsten des Erblassers verrichtet werden, an deren alleiniger Ausübung er aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit verhindert war. An sich wird der Begriff „Pflege“ sehr weit gefasst und erfasst nach der Rechtsprechung alle nicht medizinischen objektiv erforderlichen Unterstützungsleistungen zugunsten des Erblassers. Zur näheren Begriffsbestimmung wird hierbei in Lehre als auch Rechtsprechung auf die Bestimmungen der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz zurückgegriffen.

Vor diesem Hintergrund stellte das Höchstgericht im Anlassfall eingangs fest, dass bloße Besuche einer in einem Heim untergebrachten Person nicht vom Pflegebegriff umfasst werden. Es handelt es hierbei gerade um keine Unterstützungsleistung im Sinne der Einstufungsverordnung zugunsten des Erblassers, an deren alleiniger Ausübung ihn seine Pflegebedürftigkeit hindert. Grundsätzlich kann auch eine Tätigkeit, die das psychische Wohlergehen des Gepflegten fördert, unter den Pflegebegriff fallen, doch immer nur dann, wenn der Gepflegte aufgrund seines körperlichen und geistigen Zustands an der alleinigen Ausübung gehindert war. Sohin können durchaus auch Spaziergänge oder Vorlesetätigkeiten „Pflegeleistungen“ darstellen, auf bloße Besuche und Telefonate trifft dies hingegen im Regelfall nicht zu. Bezüglich der von der Beklagten erbrachten Organisationstätigkeiten während der Heimunterbringung gilt, dass diese allerdings sehr wohl vom Pflegebegriff erfasst werden, zumal Organisationstätigkeiten grundsätzlich zu einer Verbesserung der selbstbestimmten und bedürfnisorientierten Lebensführung des Erblassers beitragen. Hierzu ist in der Lehre umstritten, ob „Betreuungs- und Hilfeleistungen“ stets höchstpersönlich erbracht werden müssen, oder auch die Beauftragung eines Dritten einen Pflegevermächtnisanspruch begründen kann. Im Anlassfall spielte diese Frage insofern keine Rolle, als die Organisationsleistungen von der Beklagten zweifelsohne in eigener Person ausgeführt wurden. Trotz dessen, dass die Organisationstätigkeiten unter den „Pflegebegriff“ subsumiert werden können, scheiterte der Pflegevermächtnisanspruch im Anlassfall am fehlenden Überschreiten der in § 677 Abs 1 ABGB verankerten Geringfügigkeitsgrenze. Demnach besteht ein Anspruch nur, sofern Pflegetätigkeiten in nicht bloß geringfügigem Ausmaß erbracht werden. Prinzipiell wird bei einer Pflege von durchschnittlich mehr als 20 Stunden pro Monat von einer nicht bloß geringfügigen Pflege ausgegangen. Im konkreten Fall erreichten die von der Beklagten erbrachten Organisationstätigkeiten hingegen nicht das erforderliche Ausmaß, sodass im Ergebnis weder hinsichtlich der Besuche und Telefonate, noch hinsichtlich der Organisationstätigkeiten ein Pflegevermächtnisanspruch der Beklagten bestand.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass nach der jüngsten Rechtsprechung des OGH bloße Besuche und Telefongespräche grundsätzlich nicht als Pflege im Sinne von § 677 ABGB anzusehen sind. Zwar können organisatorische Tätigkeiten unter den Pflegebegriff fallen, sofern der Erblasser selbst dazu nicht mehr in der Lage ist und durch die Wahrnehmung dieser Tätigkeiten ihm ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben ermöglicht wird – stets aber unter der Prämisse, dass die in § 677 Abs 1 ABGB normierte Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird.