Produkftfehler weil Skibindung nicht auslöst?
Gemäß § 1 Abs 1 Produkthaftungsgesetz (PHG) haftet der Hersteller bzw. Importeur für den Ersatz des Schadens, wenn durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird.
Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin kam bei einer Skiabfahrt nach hinten zu Sturz und zog sich dabei Verletzungen zu. Bei der Abfahrt verwendete sie eine TÜV-geprüfte Sicherheits-Skibindung, welche von der beklagten Partei in Verkehr gebracht wurde.
Die Skibindung, welche fachmännisch und korrekt eingestellt war, hat sich während dem Sturzgeschehen nicht geöffnet. Nach Ansicht der Klägerin sei die Skibindung daher fehlerhaft iSd § 5 PHG, zumal die berechtigte Sicherheitserwartung der Klägerin als durchschnittliche Produktbenutzerin enttäuscht worden sei.
Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei als Herstellerin der Skibindung Schadenersatz und die Feststellung für die Haftung künftiger Schäden. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht hatten die Klage mit der Begründung, die Bindung entspreche dem Stand der Technik, abgewiesen.
Der OGH führt in seiner Entscheidung aus, dass ein Produkt dann fehlerhaft sei, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Bei Produktfehlern unterscheide man gemäß § 5 Abs 1 PHG zwischen Konstruktions-, Produktions- und Instruktionsfehlern. Beim Konstruktionsfehler sei die Enttäuschung der Sicherheitserwartung im technischen Konzept, also ein Fehler in der Planung, begründet. Beim Produktionsfehler entspreche zwar das Konzept und das danach hergestellte „idealtypische Produkt“ den Erwartungen, nicht aber das einzelne Stück, weil der Produktionsprozess nicht normgerecht war (davon werden demnach Ausreißer einer Produktserie erfasst). Beim Instruktionsfehler mache die unzureichende Darbietung, die Unterlassung von Hinweisen auf gefährliche Eigenschaften, das Produkt fehlerhaft.
Maßstab für die Fehlerhaftigkeit eines Produkts seien die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers, wobei deren Erfüllung regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden sei.
Es entspreche nicht dem Stand der Technik, dass eine Skibindung bei jedem Sturzgeschehen öffnet. Grundsätzlich öffne sich eine Sicherheitsbindung nämlich nur bei einem Vorwärtssturz (Körper in Richtung Skispitze) und einem seitlichen Verdrehsturz. Bei einem reinen Rückwärtssturz, wie in die Klägerin erlitten hat, sei ein Lösen der Bindung nach derzeitigem Stand technisch nicht möglich. Die gegenständliche Bindung war daher weder mit einem Konstruktions- noch mit einem Produktionsfehler behaftet.
Auf der gegenständlichen Bindung war zudem ein allgemeiner Warnhinweis angebracht, mit welchem darauf hingewiesen wurde, dass die aus Ski, Bindung und Schuh bestehende Funktionseinheit nicht unbedingt in allen Situationen auslöst, in denen Verletzungs- oder Todesgefahr besteht. Die Bindung der Klägerin wurde vor dem erstmaligen Gebrauch fachgerecht eingestellt und habe der Klägerin daher klar sein müssen, dass Skibindungen verschieden eingestellt werden, sodass sie entweder leichter oder schwerer auslösen. Ein durchschnittlicher Skifahrer habe nicht die allgemeine Sicherheitserwartung, dass eine Bindung in jedem Fall auslöst, weshalb auch ein Instruktionsfehler verneint wurde. Das Klagebegehren wurde daher abgewiesen, weil die Skibindung nicht fehlerhaft war.