Produkthaftung für fehlerhafte Hüftprothese?
2017 kam es zu einem Bruch der Schaftkomponente im Bereich des Halsteils des Implantats, wodurch ein operativer Austausch der gebrochenen Prothese notwendig wurde. Als das Produkt im Jahr 2009 in den Verkehr gebracht wurde, war keine erhöhte Komplikationsrate durch aufgetretene Prothesenbrüche bekannt. Das Produkt entsprach dem damaligen Kenntnisstand und der Wissenschaft und Technik. Eine erhöhte Bruchrate wurde erstmals in einer Arbeit aus dem Jahr 2010 als systemimmanent beschrieben, vor allem bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren wie erhöhtes Körpergewicht, männliches Geschlecht und Aktivität. Es wird in dieser Arbeit jedoch nicht generell davon abgeraten, diesen Prothesen-Typen zu verwenden. Erst die Auswertung wissenschaftlicher Daten führte in der Folge dazu, dass sämtliche Fachgesellschaften den routinemäßigen Einsatz modularer Halsteile nicht mehr empfahlen, da die möglichen Vorteile die Nachteile und Komplikationen nicht rechtfertigten. Im Mai 2011 versendete die Beklagte aufgrund dieser Ergebnisse eine Sicherheitsinformation, in der auf eine vermehrte Bruchrate von 0,28% hingewiesen wurde und ein freiwilliger Produktrückruf erfolgte.
Der OGH sah sich mit der Frage konfrontiert, ob der Hersteller der Prothese im gegenständlichen Fall für den vorzeitigen Verschleiß nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) haften muss. Eine solche Haftung setzt grundsätzlich einen Produktfehler voraus. Ein Produkt ist nach § 5 PHG fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Der OGH hielt zunächst fest, dass für das Vorliegen eines Produktfehlers folgendes ausschlaggebend ist: die berechtigten Sicherheitserwartungen, ein objektiver Maßstab und dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Der Standard von Wissenschaft und Technik konkretisiert die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers. Die Haftung für einen Produktfehler kann nach § 8 Z. 2 PHG grundsätzlich durch den Nachweis ausgeschlossen werden, dass die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten.
Im gegenständlichen Fall war im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des gegenständlichen Implantats weder die Bruchgefährlichkeit der konkreten Konstruktion noch ein dahingehender Verdacht erkennbar gewesen, weshalb den Hersteller im vorliegenden Fall keine Haftung trifft.