Stellung des Erwachsenenvertreters eines Beschuldigten im Strafverfahren
Im Oktober und November 2020 wurden gegen ihn mehrere Strafverfahren eingeleitet und enthielt sein Personalblatt ausdrücklich einen Hinweis darauf, dass für ihn ein gesetzlicher Vertreter bestellt sei; eine Zustellung der Strafanträge an den gerichtlichen Erwachsenenvertreter veranlasste das Gericht jedoch nicht. Der gerichtliche Erwachsenenvertreter wurde in weiterer Folge auch nicht zur Hauptverhandlung geladen.
Die betroffene Person und sein gerichtlicher Erwachsenenvertreter blieben der Hauptverhandlung in weiterer Folge fern und wurde die betroffene Person aufgrund zahlreicher Vergehen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei der Vollzug eines Teils der Strafe im Ausmaß von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen wurde. Das Urteil wurde wiederum nur an die betroffene Person zugestellt, eine Zustellung an den gerichtlichen Erwachsenenvertreter verfügte das Gericht nicht. Gegen die Feststellung der Rechtskraft des Abwesenheitsurteils und den Vollzug der Freiheitsstrafe legte die Generalprokuratur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein. Der OGH verwarf die Nichtigkeitsbeschwerde und führte zur Stellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters im Strafverfahren fest:
§ 83 Abs 4 erster Satz Strafprozessordnung (StPO) spricht als Zustelladressaten für den Beschuldigten oder Vertretenen jene Vertreter an, die die Verfahrensrechte für solcherart Vertretene ausüben, also Verteidiger und Vertreter im Sinne des § 73 StPO, nicht aber „gesetzliche Vertreter“. Gesetzlichen Vertretern von Beschuldigten nach § 48 Abs 2 StPO stehen im Rahmen ihres Wirkungsbereichs vielmehr (nur) im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnete (eigene) Rechte zu. Insofern übt der gerichtliche Erwachsenenvertreter als gesetzlicher Vertreter gerade nicht die Verfahrensrechte des von ihm zwar gesetzlich Vertretenen, jedoch im Strafverfahren deshalb nicht prozessunfähigen Angeklagten aus und kann darüber auch nicht disponieren.
Weder das Unterbleiben der Anordnung der Zustellung der Strafanträge und des Abwesenheitsurteils noch das Unterbleiben der Ladung zur Hauptverhandlung an den gerichtlichen Erwachsenenvertreter der betroffenen Person verletzte das Gesetz. § 427 Abs 1 letzter Satz StPO normiert zum Beispiel die Zustellung des Abwesenheitsurteils „in schriftlicher Ausfertigung“ (nur) an den Angeklagten. Eine Verpflichtung zur Ladung des gesetzlichen Vertreters zur Hauptverhandlung bestehe zudem nur dort, wo es das Gesetz ausdrücklich anordnet. Spricht die StPO allgemein von „Vertretern“ so seien darunter, „Verteidiger und andere Person[en]“ zu verstehen, durch die der Angeklagte oder andere Beteiligte im Strafverfahren „vertreten“ werden.