Umfang der Verkehrssicherungspflichten nach Elementarereignis
Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist Mit‑ und Wohnungseigentümerin einer Liegenschaft mit einer Tiefgarage, in der sich ihr Kfz‑Abstellplatz befindet. Die Tiefgarage wurde durch ein Starkregenereignis überflutet, wovon die Verwalterin der beklagten Eigentümergemeinschaft alle Bewohner informierte. Die Verwalterin beauftragte sofort die Feuerwehr mit dem Abpumpen des Wassers und ein Reinigungsunternehmen mit der Reinigung der Tiefgarage. Die Klägerin betrat die Tiefgarage am zweiten Tag nach der Überflutung zeitig in der Früh. Auf dem Boden waren noch großflächig Lacken und schlammiges Erdreich ersichtlich. Dessen ungeachtet versuchte die Klägerin zu ihrem PKW zu gehen, rutschte aus und verletzte sich.
Aufgrund ihrer Verletzungen brachte die Klägerin eine Schadenersatzklage gegen die Eigentümergemeinschaft ein. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen.
Der gegen das (abweisende) Berufungsurteil angerufene OGH wies die (außerordentliche) Revision der Klägerin zurück und führte in seinem Urteil aus, dass nach ständiger Rechtsprechung der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht immer von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Entscheidend sei vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind. Entscheidungen über Verkehrssicherungspflichten seien daher nur dann vom OGH aufzugreifen, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die einer Korrektur durch den OGH bedarf. Von einer derartigen erheblichen Fehlbeurteilung abgesehen, liege keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) vor, mit der sich der OGH zu befassen habe.
Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht die in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zu Verkehrssicherungspflichten zutreffend wiedergegeben und im vorliegenden Fall deren haftungsbegründende Verletzung verneint, ohne dass dies einer Korrektur durch den OGH bedarf. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass es nach Ansicht des Berufungsgerichtes eine Überspannung der Verkehrssicherungspflichten bedeuten würde, wenn von der Verwalterin nicht nur verlangt würde, dass sie unmittelbar nach dem Starkregenereignis das Abpumpen durch die Feuerwehr veranlasst und das Reinigungsunternehmen telefonisch beauftragt, sondern bereits am Folgetag die Durchführung dieser Arbeiten kontrolliert. Zudem sei – wie die Klägerin vermeint – eine Überschwemmung durch ein vereinzelt vorkommendes Starkregenereignis nicht mit winterlichen Witterungsbedingungen zu vergleichen. Während im Winter mit Schnee und Eis regelmäßig zu rechnen sei, sodass eine Eigentümergemeinschaft bzw. deren Verwalterin durch entsprechende Organisation eines Räum‑ und Streudienstes von vornherein dafür vorzusorgen habe, sei ein Starkregenereignis, das sogar zu einer Überschwemmung der Tiefgarage führt, ein in dieser massiven Ausprägung vereinzeltes Elementarereignis, mit dem die Verwalterin nicht rechnen habe müssen. Ihr keinen haftungsbegründenden Vorwurf daraus zu machen, dass sie nicht in der Lage war, dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Verschmutzungen und feuchten Stellen am Folgetag nach dem Starkregenereignis in der Tiefgarage bereits vollständig entfernt waren, halte sich im Rahmen der Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur durch den OGH. Die Klage wurde daher abgewiesen.