Verkehrssicherungspflichten beim Überlassen von Gebäuden an Dritte

Vertragsrecht Schadenersatzrecht
April 2023

Die Freiwillige Feuerwehr veranstaltete ihren „Stefani-Ball“ in einem Gebäude der beklagten Gemeinde. Diesbezüglich schloss der Kommandant mit der Gemeinde eine Vereinbarung, die unter anderem folgende Hausordnung enthielt: „Ansprechpartner für die Organisation von Veranstaltungen ist nur eine namhaft gemachte Person eines Vereins. Der Veranstalter hat weiters für den geordneten Ablauf der Veranstaltung Sorge zu tragen und es müssen der Gemeinde zwei verantwortliche Personen dafür genannt werden.“

Der Kläger besuchte den „Stefani-Ball“ und stürzte im Verlauf des Abends über eine Treppe. Er war der Ansicht, dass der mangelhafte Zustand der Treppe ursächlich für seinen Sturz gewesen war. Der Kunststoffbelag, der auf den Trittflächen angebracht war, sei einerseits nicht rutschfest und andererseits bereits so abgetreten gewesen, dass das an der Stirnfläche der Stufen angebrachte Edelstahlblech einen Überstand von mehreren Millimetern gehabt habe. Er brachte weiters vor, dass der mangelhafte Zustand der Treppe der Gemeinde bekannt gewesen war, welche den schadhaften Stufenbelag kurz nach dem Unfall durch Fliesen austauschen hat lassen. Er begehrte Schadenersatz in der Höhe von € 57.500,79.- sowie die Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden aus diesem Unfall. Die beklagte Gemeinde wendete mangelnde Passivlegitimation ein und argumentierte, dass die Verkehrssicherungspflichten zum Zeitpunkt des Unfalls ausschließlich die Freiwillige Feuerwehr getroffen haben.

Nachdem das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen hatte, hob das Berufungsgericht die Entscheidung mit der Begründung auf, dass die beklagte Gemeinde durch das Überlassen der Veranstaltungsräumlichkeiten einen eingeschränkten Verkehr für die Ballbesucher eröffnet habe. Der Oberste Gerichtshof (OGH) stimmte dieser Rechtsansicht zu und hielt zunächst fest, dass Verkehrssicherungspflichten bestehen, sobald jemand eine Gefahrenquelle schafft. Sie bestehen nicht nur wenn (bewusst) ein Verkehr eröffnet wird, sondern schon dann, wenn der Verkehr bloß geduldet wird. Sobald jemand eine seiner Verfügung unterliegende Anlage dem Zutritt eines Personenkreises eröffnet, muss er die Anlage in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand erhalten und von erkennbaren Gefahren schützen. Die Verkehrssicherungspflichten treffen also immer denjenigen, der die entsprechenden Vorkehrungen treffen kann. Dementsprechend liegt die die Verantwortlichkeit für Baumängel – wie in diesem Fall eine schadhafte Stiege – bei demjenigen, der die Anlage anderen zur Benutzung überlässt.

Der OGH verneinte zudem, dass durch die vertragliche Vereinbarung die gesamten Verkehrssicherungspflichten das Gebäude betreffend seitens der beklagten Gemeinde an die Feuerwehr übertragen worden waren. Bereits der Wortlaut der Vereinbarung schließe das aus. Unter den Begriffen „geordneter Ablauf“ und „Sicherungsmaßnahmen“ sei die Anstellung eines Ordnungsdienstes zu verstehen und das Freihalten der Fluchtwege. Eine vollständige Übertragung sämtlicher Verkehrssicherungspflichten, wovon auch allfällige Gebäudeschäden mitumfasst sind, ergebe sich daraus nicht.