Zur „Gutgläubigkeit“ von Privaten beim Gebrauchtwagenkauf

Allgemeines Zivilrecht Unternehmensrecht
October 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin betreibt ein Autohaus und vermietete ein Fahrzeug an einen Mieter, welcher vorgab ein Taxi- oder Mietwagenunternehmen zu betreiben. Sie stellte für die Zulassung des Fahrzeugs eine Benützungsüberlassungserklärung aus, behielt die originalen Dokumente sowie den Zweitschlüssel jedoch zurück.

Der Mieter erschlich sich bei der Zulassungsstelle ein Duplikat aus der Genehmigungsdatenbank und ließ das Fahrzeug auf seinen Namen zu. Daraufhin verkaufte er das Fahrzeug an die Nebenintervenientin, welche einen Gebrauchtwagenhandel betreibt. Der Mieter gab vor, den Zweitschlüssel vergessen zu haben und wollte diesen nachbringen. In weiterer Folge kaufte dann der Beklagte das Fahrzeug von der Nebenintervenientin, welche ihm das Duplikat aus der Genehmigungsdatenbank übergab und ihn darüber informierte, dass der Zweitschlüssel noch nachgereicht wird. Der Beklagte leistete eine Anzahlung und finanzierte den Restkauf über eine Bank mit der er einen Eigentumsvorbehalt vereinbarte.

Die Klägerin begehrte die Herausgabe des Fahrzeugs vom Beklagten und brachte vor, dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb am Fahrzeug daran gescheitert sei, dass sie über die Originalpapiere sowie den Zweitschlüssel verfüge. Der Beklagte brachte wiederum vor, dass er das Fahrzeug von einer Unternehmerin in ihrem gewöhnlichen Betrieb gutgläubig erworben habe.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Beklagte das Fahrzeug gutgläubig erworben habe. Das Berufungsgericht revidierte dieses Urteil jedoch und führte aus, dass die Nebenintervenientin die Herkunft des Fahrzeugs hinterfragen und die Vorlage eines Kaufvertrags verlangen hätte müssen, insbesondere weil das Duplikat des Datenausdrucks aus der Genehmigungsdatenbank erst vier Tage zuvor ausgestellt worden und auch nur ein Fahrzeugschlüssel übergeben worden war. Die Nebenintervenientin hätte demnach dem Beklagten kein Anwartschaftsrecht auf einen gutgläubigen Erwerb verschaffen können.

Der OGH erachtete die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als verfehlt und stellte folgendes fest:

Nach § 367 Abs. 1 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache abzuweisen, wenn er beweist, dass er die Sache gegen Entgelt von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hat. Ein Erwerber ist nach § 368 dann redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört, wobei schon leichte Fahrlässigkeit schadet.

Der Erwerber eines Gebrauchtwagens müsse sich besonders sorgfältig vergewissern, dass er nicht in fremde Rechte eingreift. Der Käufer müsse sich deshalb durch Einsichtnahme in den Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers überzeugen. Ergibt sich aus dem Typenschein nicht die Berechtigung des Veräußerers, sind weitere Nachforschungen anzustellen. Für Fahrzeuge, die über eine EG-Betriebserlaubnis verfügen, wurde der Typenschein durch Eintragung der Typendaten in die Genehmigungsdatenbank ersetzt. Als Genehmigungsnachweis dient hier der Ausdruck aus der Genehmigungsdatenbank.

Der Ausdruck aus der Genehmigungsdatenbank unterscheidet sich vom Typenschein dadurch, dass in der Genehmigungsdatenbank grundsätzlich nur fahrzeugspezifische, aber keine personenbezogenen Daten enthalten sind. Einem solchen Dokument kann kein Hinweis auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes oder die Verfügungsbefugnis des Verkäufers entnommen werden. Nachdem sich das Fahrzeug-Genehmigungsdokument in aller Regel beim Eigentümer des Fahrzeugs befindet, hat der OGH bereits in früherer Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass der Erwerber eines Gebrauchtwagens auf die Vorlage dieses Dokuments bestehen muss und wenn dies nicht möglich ist, vom Ankauf des Fahrzeugs Abstand halten muss.

Im gegenständlichen Fall wurde dem Beklagten ein solches Dokument übergeben; allerdings war es mit dem Vermerk „1. Duplikat“ versehen. Weiters hat der OGH in seiner Rechtsprechung auch darauf verwiesen, dass die Vorlage eines Duplikats an sich noch keinen besonderen Verdacht begründet, weil es nicht ungewöhnlich ist, dass solche Dokumente über die Jahre verloren gehen und erst anlässlich eines Verkaufs wieder benötigt werden und ein Duplikat angefordert wird. Der Beklagte habe mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der für den Gebrauchtwagenhändler geltende Sorgfaltsmaßstab nicht ohne weiteres auf einen privaten Käufer, dem das entsprechende Fachwissen in aller Regel fehlt, übertragen werden darf.

Der OGH hielt schlussendlich fest, dass die Anforderungen an Privatpersonen, die einen Gebrauchtwagen bei einem Händler erwerben, nicht überspannt werden dürfen. Erwirbt eine Privatperson ein Fahrzeug von einem Gebrauchtwarenhändler, dürfe sie vielmehr davon ausgehen, dass das Unternehmen bereits die Berechtigung des Vormannes hinreichend überprüft hat. Eine kritische Überprüfung von Fahrzeugdokumenten erfordere Fachwissen, das bei Privatpersonen nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden darf. Auch das Fehlen des Zweitschlüssels habe den Beklagten noch nicht zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen, weil ihm von der Nebenintervenientin versichert wurde, dass er nachgereicht werde. Nachdem der Beklagte weder wusste noch vermuten musste, dass die Nebenintervenientin das Fahrzeug nicht vom Eigentümer erworben hat, bejahte der OGH den gutgläubigen Erwerb des Fahrzeugs durch den Beklagten, was zur Abweisung der auf Herausgabe gerichteten Klage führte.