Freiwilliges Duschen in Krankenanstalt als Arbeitszeit?

Arbeitsrecht
Juni 2022


Gemäß § 2 Abs 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin arbeitete als diplomierte Gesundheits‑ und Krankenpflegerin in Krankenanstalten des Beklagten. Sie musste Anstaltskleidung tragen, die sie nicht nach Hause mitnehmen durfte. Nach ihrem Dienst duschte sie sich für gewöhnlich wie auch einige, aber nicht alle Kollegen in der Krankenanstalt, bevor sie die Privatkleidung anzog und den Arbeitsort verließ. Dieses Duschen war weder angeordnet noch aus hygienischen Gründen erforderlich. Es erfolgte allein aufgrund der persönlichen Hygienestandards der Klägerin. Die Klägerin benötigte für das Duschen jeweils rund 15 Minuten.

Mit der von der Klägerin eingebrachten Klage begehrte sie die Lohnfortzahlung für die Dauer der Dusche in der Krankenanstalt. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Dagegen brachte die Klägerin eine Revision an den OGH ein, welcher in seiner Entscheidung nachfolgendes ausführte:

Bezugnehmend auf die Entscheidung „Tyco“ des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) aus dem Jahre 2015 führte der OGH zunächst aus, dass die Fahrtzeit, die Arbeitnehmer ohne festen Arbeitsort für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwenden, Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie darstellt. Dies wurde vom EuGH seinerzeit damit begründet, dass anderenfalls das unionsrechtliche Ziel des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer unterlaufen werde, zumal die besagten Arbeitnehmer während dieser ersten Fahrt tatsächlich Arbeitskraft zur Verfügung stellen, da sie den Anweisungen des Arbeitgebers unterstehen. Dementsprechend führte der OGH aus, dass nach ständiger Rechtsprechung unter „Arbeitszeit“ jene Zeiten verstanden werden, in denen dem Arbeitnehmer zu Gunsten des Arbeitgebers die Selbstbestimmungsmöglichkeit über seine Zeit in erheblichem Ausmaß genommen ist und er daher keine Gelegenheit hat, diese Zeit nach seinem Gutdünken zu verwenden.

Dies sei im gegenständlichen jedoch nicht der Fall, zumal es die freie Entscheidung der Klägerin war, sich nicht sogleich anzuziehen und nach Hause zu gehen, sondern noch zu duschen. Mangels jeglicher Fremdbestimmung gehöre der Zeitraum, in welchem die Klägerin (freiwillig) in der Krankenanstalt duscht, nicht zur Arbeitszeit, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen worden sei.