Befriedigung der Ansprüche eines Opfers einer Straftat nach Verfall

Schadenersatzrecht
Mai 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger wurde Opfer eines Internetbetrügers und überwies einen fünfstelligen Betrag auf ein Konto. Das auf diesem Konto befindliche Guthaben wurde im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sichergestellt und beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft brach in weiterer Folge das Ermittlungsverfahren ab und beantragte am 13.4.2021 den Verfall des Bankkontos.

Am 25.5.2021 schloss der Kläger mit der Inhaberin des Kontos einen prätorischen Vergleich, in dem sich Letztere dazu verpflichtete, dem Kläger sein Geld zu bezahlen und ihm alle Verfügungsrechte an dem Konto – ungeachtet der behördlichen Sperren – im Umfang des vom Kläger einbezahlten Betrags abzutreten. Anträge des Klägers auf Aufhebung der Beschlagnahme und Ausfolgung seines Geldbetrags blieben erfolglos. Im Rahmen des selbstständigen Verfallsverfahrens erklärte die Richterin das gesamte Kontoguthaben für verfallen, woraufhin dieses dem Bundesschatz zugeführt wurde Daraufhin begehrte Kläger begehrte vom beklagten Bund die von ihm geleisteten € 18.801,15.-

Der OGH hielt die Revision des Klägers zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und berechtigt und führte aus:

Nach § 20 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Der Begriff Vermögenswerte umfasst alle wirtschaftlichen Vorteile, die einer Bewertung zugänglich sind. Neben körperlichen Sachen, wie Geld- oder Schmuckbeute, sind auch Forderungen (Bankguthaben) und sonstige wirtschaftliche Werte erfasst. Die Vermögenswerte, die für verfallen erklärt werden, müssen nicht im Eigentum des Täters stehen. Der Verfall kann nicht nur den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung, sondern auch Dritte, die an der Tat selbst nicht beteiligt waren, betreffen, sofern nicht einer der Ausschlussgründe nach § 20a StGB vorliegt.

Zivilrechtliche Ansprüche sind unter keinen der in § 20a StGB normierten Ausschlussgründe subsumierbar. Dass sich die Inhaberin des Kontos gegenüber dem Kläger mit einem prätorischen Vergleich zur Zahlung des Betrags verpflichtete, stellte daher keinen Grund für einen Ausschluss des Verfalls dar. Allerdings machte der Kläger – so das Höchstgericht – im Kern geltend, dass er für seine Forderung über einen Exekutionstitel gegen die Kontoinhaberin verfügte.

§ 373b Strafprozessordnung (StPO) sieht folgendes vor:

„Ist im Fall eines Verfalls nach § 20 StGB oder eines erweiterten Verfalls nach § 20b StGB dem Opfer eine Entschädigung zwar rechtskräftig zuerkannt, aber noch nicht geleistet worden, so hat das Opfer unbeschadet des § 373a das Recht zu verlangen, dass seine Ansprüche aus dem vom Bund vereinnahmten Vermögenswert befriedigt werden.“

Diese Regelung räumt dem Opfer einer Straftat das Recht ein, seine Ansprüche aus einem bereits vom Bund vereinnahmten Vermögenswert zu verlangen. Voraussetzung für einen Anspruch des Opfers nach § 373b StPO ist einerseits, dass das Strafgericht auf Verfall entschieden und der Bund den Vermögenswert vereinnahmt hat und der Anspruch aus derselben Tat resultiert die auch dem Verfall zugrunde lag. Andererseits muss die Entschädigung dem Opfer „rechtskräftig zuerkannt“ worden sein.

Der OGH nahm in weiterer Folge eine Auslegung des Begriffs „rechtskräftig zuerkannt“ vor. Angesichts des Ziels und Zwecks der Bestimmung betonte der OGH, dass von keinem engen Wortverständnis ausgegangen werden sollte. Vordergründig zielt § 373b StPO nämlich auf das Wiedergutmachungsinteresse des Opfers ab. Nachdem in der Strafprozessordnung nach § 69 Abs. 2 StPO explizit die Möglichkeit vorgesehen ist, dass ein Opfer in der Hauptverhandlung einen Vergleich über privatrechtliche Ansprüche schließt, und der Gesetzgeber damit das Interesse des Opfers an einer raschen Wiedergutmachung fördert, könne dem gleichen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er die tatsächliche Befriedigung der Ansprüche des Geschädigten im Fall des § 373b StPO zwingend vom Vorliegen einer (rechtskräftigen) Entscheidung abhängig machen wollte.

Darüber hinaus würde sich bei einem engen Wortverständnis ein Wertungswiderspruch mit § 373 a Abs. 1 StPO ergeben. § 373a Abs. 1 StPO sieht einen „Vorschuss“ auf die „Entschädigung“ durch den Verurteilten vor, der sicherstellen soll, dass die Zahlung von Schadenersatz nicht dadurch vereitelt wird, dass eine über den Verurteilten verhängte Freiheits- oder Geldstrafe vollzogen wird. Der Anspruch auf den Vorschuss setzt zwar nach § 373a Abs. 1 Satz 1 StPO grundsätzlich einen Privatbeteiligtenzuspruch voraus. Dem steht jedoch nach Satz 2 dieser Bestimmung „die Erlangung eines anderen im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels gegen den Verurteilten wegen der den Gegenstand der Verurteilung bildenden strafbaren Handlung durch das Opfer gleich.“ Mangels Differenzierung umfasst diese Bestimmung auch gerichtliche Vergleiche und vollstreckbare Notariatsakte. Für das Höchstgericht war kein Grund erkennbar, weshalb das für den Anspruch nach § 373b StPO nicht gelten sollte.

Der OGH hielt daher fest, dass § 373b StPO insofern eine (echte) Lücke aufweist, als der Wortlaut nur hoheitlich, nicht aber privatautonom geschaffene erfasst. Diese Lücke sei durch eine analoge Anwendung der in § 373a StPO vorgesehenen Gleichstellung von hoheitlichen und privatautonom geschaffenen Exekutionstiteln zu schließen. Münzt man diese Auslegung auf den gegenständlichen Sachverhalt um, steht fest, dass der Kläger aus derselben Tat geschädigt wurde, die auch der Verfallsentscheidung zugrunde liegt und dass ihm daraus ein Anspruch auf Wiedergutmachung seines Schadens aus dieser Straftat zukommt. Der beklagte Bund hat zudem (unter anderem) den Vermögenswert vereinnahmt, der der Schädigung des Klägers aus der Straftat entspricht. Zudem sind prätorische Vergleiche Exekutionstitel nach § 1 Z. 5 Exekutionsordnung (EO). Der Kläger konnte daher nach § 373b StPO verlangen, dass sein Anspruch aus dem von der Beklagten vereinnahmten Vermögenswerte befriedigt wird.