Betreutes Wohnen in einer Wohngemeinschaft für Demenzerkrankte unterliegt nicht dem Heimaufenthaltsgesetz
Diese persönliche Freiheit eines Menschen muss entsprechend § 1 Heimaufenthaltsgesetz (HeimAufG) besonders bei Menschen, die aufgrund ihres Alters, einer Behinderung oder einer Krankheit der Pflege oder Betreuung bedürfen, geschützt werden. Gerade Bewohner/Innen von Betreuungseinrichtungen sind häufig Freiheitsbeschränkungen ausgesetzt. Ein solche Beschränkung stellt allerdings einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen dar. Gerade vor diesem Hintergrund dürfen im Anwendungsbereich des HeimAufG solche Beschränkungen nur unter den in diesem Gesetz normierten Voraussetzungen erfolgen.
In einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) musste sich das Höchstgericht mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen der sachliche Anwendungsbereich des HeimAufG eröffnet ist und somit dessen besondere Schutzbestimmungen Anwendung finden. Dieser Rechtssache lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Sozialdienste GmbH vermietet drei Wohnungen samt Gemeinschaftsräumlichkeiten jeweils an zwei Personen. In jeder Wohnung steht ein Raum zur alleinigen Benutzung zur Verfügung, während Bad, WC, Küche, Flur und Vorraum der gemeinsamen Nutzung aller Mieter vorbehalten sind. Bei den Mietern handelt es sich um Menschen mit hochgradigem demenziellen Abbau. Pro Wohnung steht zudem ein weiteres Zimmer für eine 24h-Betreuungskraft zur Verfügung. Die 24h-Betreuungskräfte werden von den Mietern selbst beschäftigt. Eine eigene Betreuungsagentur steht den Mietern für die Organisation und Vermittlung der 24h-Betreuungskräfte zur Verfügung. Der zwischen der Sozialdienste GmbH und den Mietern abgeschlossene Mietvertrag steht unter der auflösenden Bedingung, dass ein Mieter gerade mit dieser Betreuungsagentur ein aufrechtes Betreuungsverhältnis eingeht. Sollte dieses Betreuungsverhältnis beendet werden, so endet dadurch auch das Mietverhältnis. Die Betreuungsagentur und die Sozialdienste GmbH selbst stehen allerdings in keiner vertraglichen Beziehung zueinander. Ihre Beziehung ist bloß faktischer Natur.
Strittig war nun, ob die Sozialdienste GmbH, durch die die Bewohner untergebracht und betreut werden, aufgrund der konkreten Gegebenheiten im Anlassfall als eine Einrichtung im Sinne des § 2 Abs 1 erster Satz HeimAufG einzustufen ist. Demnach findet dieses Bundesgesetz nur Anwendung zur „Überprüfung von Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen, sowie in anderen Einrichtungen, in denen wenigstens drei psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen ständig betreut oder gepflegt werden können.“. Für den Begriff „Einrichtung“ hat der Gesetzgeber keine Legaldefinition vorgesehen. In Anlehnung an die Vorjudikatur muss sohin zur Beurteilung der Einrichtungseigenschaft auf die für die Einrichtung geltenden Organisationsvorschriften zurückgegriffen werden. Subsidiär ist die Generalklausel in § 2 Abs 1 HeimAufG heranzuziehen, wonach eine Einrichtung dann vorliegt, wenn sie geeignet ist mindestens drei psychische kranke oder geistig behinderte Personen ständig zu betreuen oder zu pflegen. Nach den Gesetzesmaterialien zum HeimAufG soll dieses keine Anwendung finden auf Personen, die zu Hause von Familienangehörigen oder mobilen Diensten oder im Rahmen einer familienähnlichen Wohngemeinschaft betreut werden, wobei auch die Pflege zu Hause durch 24h-Betreuungskräfte vom Anwendungsbereich ausgenommen ist – „betreutes Wohnen“ unterliegt somit nicht dem Heimaufenthaltsrecht. In Anlehnung an den Willen des Gesetzgebers führt das Höchstgericht in seiner Entscheidung folglich aus, was unter dem Begriff „betreutes Wohnen“ mangels gesetzlicher Definition zu verstehen ist. Demnach versteht man darunter eine bedarfsgerechte Wohnung für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung, zu der gewisse weitere Dienstleistungen wie Therapien, Hauskrankenpflege, etc. hinzukommen. Zweck des betreuten Wohnens liegt darin, eine autonome Lebensführung der betreuten Personen zu ermöglichen und deren Selbstständigkeit so weit wie möglich zu wahren. Zur Abgrenzung der verschiedenen Formen des betreuten Wohnens von einer tatsächlichen dem HeimAufG unterliegenden Pflege- und Alteneinrichtung müssen nach der Rechtsprechung Indizien herangezogen werden, zumal eine klare Unterscheidung allein durch den Wortlaut des Gesetzes nicht möglich ist. Dementsprechend ist gerade eine professionelle Betreuung und arbeitsteilige Organisation kennzeichnend für ein Alten- und Pflegeheim. Umgekehrt ist es ein Merkmal des betreuten Wohnens, dass Wohnungen und keine Zimmer vermietet werden. Ebenso werden Räumlichkeiten, die der gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stehen, nicht zur Pflege des Einzelnen verwendet, sondern zur Herstellung und Erhaltung der Sozialkontakte. Auch der Umstand, dass ein Pflegepersonal nicht dauerhaft anwesend ist, sondern vom Bewohner nur nach seiner Wahl und seinem Bedarf bestellt wird, spricht eher gegen das Vorliegen eines Pflege- und Altenheims. Vor diesem Hintergrund und unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls vertrat sohin das Höchstgericht in Anlehnung an die Entscheidungen der Vorinstanzen die Ansicht, dass es der vorliegenden Demenz-Wohngemeinschaft bei der Sozialdienste GmbH am Einrichtungscharakter mangle. Es fehle an der „heimähnlichen“ Lebenswelt, zumal die Bewohner weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Lebensführung im Großen und Ganzen selbst zu bestimmen, einen eigenen Haushalt zu führen und die Pflege nur nach Bedarf in Anspruch zu nehmen. All dies führt dazu, dass sich der Anlassfall nicht maßgeblich von einer 24h-Betreuung mit mobiler Pflege und Betreuung zu Hause unterscheidet, die nach den Gesetzesmaterialien gerade nicht vom Anwendungsbereich des HeimAufG erfasst sein soll.