Covid-19 Infektion ist kein Arbeits- bzw. Betriebsunfall

Arbeitsrecht
Februar 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger ist stellvertretender Leiter der EDV-Abteilung einer Landespolizeidirektion. Im Jänner 2021 waren in seinem Fachbereich 13 Mitarbeiter in fünf Büros tätig. Am 15. Jänner hatte er mit einem Kollegen zu tun, der am 20. Jänner positiv auf Covid-19 getestet wurde und bis zum 25. Jänner wurden fünf weitere Kollegen positiv auf das Covid-19 Virus getestet.

Am 23. Jänner wies auch der Kläger erste Symptome einer Erkrankung auf und musste ab 1. Februar 2021 acht Tage lang intensivmedizinisch betreut werden. Der Kläger begehrte in weiterer Folge Versehrtenrente und brachte vor, dass eine berufliche Ansteckung mit Covid‑19 in seinem Fall evident sei. Eine Ansteckung im familiären Bereich sei ausgeschlossen, weil seine Ehefrau erst nach seiner Aufnahme ins Krankenhaus positiv auf Covid-19 getestet worden sei. Die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) hielt dem entgegen, dass von einer Ansteckung im Zuge der dienstlichen Tätigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden könne.

Das Erst- und Zweitgericht wiesen die Klage ab und vertraten die Rechtsansicht, dass in der Unfallversicherung Infektionskrankheiten wie Covid-19 nicht als Dienstunfall zu qualifizieren sind und wenn dann nur als Berufskrankheit nach § 177 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) versichert seien. Der OGH hatte sich bisher noch nicht ausdrücklich mit der Qualifikation der Ansteckung einer Infektionskrankheit als Arbeits- oder Dienstunfall befasst, sodass die ordentliche Revision zulässig war.

Das Höchstgericht hielt zunächst fest, dass nach § 90 Abs. 1 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) Dienstunfälle Unfälle sind, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen. In der Lehre und Rechtsprechung wird ein Unfall als ein zeitlich begrenztes Ereignis – etwa eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung – qualifiziert, das zu einer Körperschädigung geführt hat. Von einem Unfall kann also nur dann gesprochen werden, wenn die Gesundheitsbeeinträchtigung durch ein plötzliches Ereignis bewirkt wurde, wobei „plötzlich“ nicht Einmaligkeit bedeuten muss. Auch kurz aufeinander folgende Einwirkungen, die nur in ihrer Gesamtheit einen Körperschaden bewirken, sind noch als „plötzlich“ anzusehen, wenn sie sich innerhalb einer Arbeitsschicht ereignet haben.

Nicht als Unfall gelten demnach Folgen von Dauereinwirkungen, die nur geschützt werden, wenn sie als Berufskrankheiten anerkannt sind. Der entscheidende Unterschied zwischen einem Unfall und einer Berufskrankheit ist daher der Zeitraum, in dem sie sich ereignen: Während der Unfall ein plötzliches Ereignis ist, entwickelt sich die Berufskrankheit typischerweise während eines länger andauernden Zeitraums. Derzeit gibt es in Österreich 53 als Berufskrankheiten anerkannte Krankheiten, die in Anlage 1 zum ASVG aufgelistet sind. Der OGH hielt fest, dass sich die vom Gesetzgeber in die Anlage 1 aufgenommenen Berufskrankheiten überwiegend dadurch kennzeichnen, dass sie erst durch längerfristige schädigende Einwirkungen zu Erkrankungen führen. Im Gegensatz dazu erfolgt bei Infektionskrankheiten der Infektionsvorgang als schadenstiftende Einwirkung grundsätzlich abrupt und erfüllt damit im Grunde eher die Voraussetzungen eines Unfalls. Es gibt zwar Infektionskrankheiten, die den Berufskrankheiten zugeordnet werden, allerdings muss aufgrund der expliziten Auflistung in Anlage 1 davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sie bewusst als solche behandeln und unter den Voraussetzungen der Anlage 1 unter Versicherungsschutz stellen will. Sinn und Zweck von Anlage 1 besteht demnach darin, nur jenen Personen (Unfallversicherungs-)Schutz bei einer Infektionskrankheit zu gewähren, die aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in genau definierten Unternehmen einer besonderen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.

Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass ein Versicherungsschutz nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 177 ASVG in Verbindung mit der Anlage 1 besteht und eine Infektion mit Covid-19 nicht davon erfasst ist.