Die gesetzliche Erbfolge bei Erbunwürdigkeit des Ehegatten

Erbrecht
Dezember 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Der Erblasser hatte mit seiner Witwe zwei Kinder und aus einer früheren Ehe drei weitere Kinder. Nachdem er kein Testament hinterlassen hatte, trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Die Kinder aus erster Ehe gaben eine Erbantrittserklärung in der Höhe eines Fünftels ab, die Kinder aus zweitere Ehe jeweils zu zwei Fünfzehntel und die Witwe zu einem Drittel. Die Kinder aus erster Ehe beanstandeten die Erbantrittserklärung der Witwe und brachten deren Erbunwürdigkeit vor, welche sich unter anderem aus der Zufügung seelischen Leides durch Vernachlässigung des dementen und pflegebedürftigen Erblassers ergebe.

Das Erstgericht stellte das Erbrecht der Witwe zu einem Drittel fest und das der Kinder zu je zwei Fünfzehntel. Eine inhaltliche Prüfung der Frage der Erbunwürdigkeit erfolgte dabei nicht, allerdings betonte das Erstgericht, dass selbst wenn die Witwe erbunwürdig sein sollte, deren Erbquote ausschließlich ihren leiblichen Kindern zufallen würde. Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf und war der OGH in weiterer Folge im Rahmen des Revisionsverfahrens mit der Frage befasst, inwiefern sich die Erbunwürdigkeit der Witwe auf die jeweiligen Erbquoten der Kinder des Erblassers auswirken würde. Zur Lösung des Falles war eine Auslegung des § 542 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) erforderlich, welcher folgendes vorsieht:

„Bei gesetzlicher Erbfolge treten die Nachkommen der erbunwürdigen Person an deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.“

Unter Rückgriff auf die Gesetzesmaterialen stellte der OGH zunächst fest, dass mit der Novellierung dieser Norm das Ausschließen der schuldlosen Nachkommen eines Erbunwürdigen vom Erbrecht nach dem Erblasser behoben werden sollte. Vorbild für die Neufassung waren ähnliche Bestimmungen im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Schweizer Zivilgesetzbuch, welche ein Vorversterben des Erbunwürdigen fingieren.

Nach Würdigung der relevanten Literatur kam der OGH zum Schluss, dass § 542 ABGB vor dem Hintergrund des bei der gesetzlichen Erbfolge vorgesehenen Repräsentationssystems zu verstehen sei und es dadurch zu keiner Ausweitung des Kreises der gesetzlichen Erbberechtigten und auch zu keiner Ausdehnung des Eintrittsrechts kommen soll. § 542 ABGB sei in Anbetracht der Materialien schließlich so zu verstehen, dass es nur darum gehen könne, ob die Nachkommen als gesetzliche Erben zum Zug kämen, wenn der Erbunwürdige vorverstorben wäre. Der Wortlaut des § 542 ABGB sei daher zu weit und teleologisch insofern zu reduzieren, dass nur Nachkommen einer erbunwürdigen Person erfasst sind, die bei hypothetischem Nachvollziehen der gesetzlichen Erbfolge nach dem Erblasser an die Stelle des vorverstorbenen Erbunwürdigen treten würden.