Die Mitgliederversammlung eines Vereins kann nicht als Schlichtungseinrichtung fungieren
Am 7.6.2021 erhob der Kläger Einspruch gegen den Vereinsausschluss an die Generalversammlung. Daraufhin wurde die Generalversammlung für den 7.7.2021 einberufen, in welcher über den Einspruch des Klägers entschieden werden sollte. Dem Kläger wurde eine fünfminütige Redezeit vor den Mitgliedern eingeräumt und blieb es nach der Abstimmung der Generalversammlung beim Ausschluss des Klägers vom Verein. Der Antrag des Klägers auf Einberufung des Vereinsschiedsgerichts wurde zurückgewiesen.
Daraufhin brachte der Kläger Klage ein und begehrte die Feststellung, dass der in der Vorstandssitzung vom 20.5.2021 gefällte Beschluss auf Ausschluss des Klägers aus dem beklagten Verein und Vorstand nichtig sei. Demnach sei er bei der Vorstandssitzung am 20.5.2021 überrumpelt worden und habe keine Möglichkeit gehabt, sich dazu zu äußern, weshalb ihm das rechtliche Gehör verweigert worden war. Der Vorstandsbeschluss vom 20.5.2021 sei zudem von einem unzuständigen Organ gefasst worden und nichtig. Die Abwahl in der außerordentlich einberufenen Generalversammlung sei ebenso nichtig, weil nur über die Richtigkeit einer Entscheidung des Vorstands abgestimmt worden war. Er habe zwar die Möglichkeit gehabt, sich zu äußern, jedoch seien die fünf Minuten die ihm eingeräumt worden waren bei weitem nicht ausreichend, sodass er nicht ausreichend zu den Vorwürfen Stellung beziehen habe können.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied erstmals über die Frage der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung, wenn ein Vorstandsmitglied als Vereinsmitglied ausgeschlossen werden soll. Entgegen der Ansicht der Beklagten hielt der OGH fest, dass die Mitgliederversammlung keine Schlichtungseinrichtung im Sinne des § 8 Vereinsgesetz (VerG) sein könne, da es sich bei ersterer um das wichtigste Organ des Vereins handelt und beim Ausschluss eines Mitglieds um den eigentlichen Konfliktgegner. Zudem diene die Mitgliederversammlung der gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder. Mit dieser Kompetenzzuweisung unterscheide sich die Mitgliederversammlung grundlegend von der in § 8 VerG definierten Schlichtungseinrichtung hinsichtlich der Zusammensetzung, Zweck und Funktion. Die Mitgliederversammlung sei nicht geeignet, die Aufgaben der Schlichtungseinrichtung wahrzunehmen. Es könne daher in Vereinsstatuten nicht vorgesehen werden, dass die Mitgliederversammlung eines Vereins als Schlichtungseinrichtung im Sinne des § 8 VerG dient. Die Statuten des Vereins, wonach das Vereinsschiedsgericht nicht für den Ausschluss oder die Streichung eines Mitglieds zuständig ist, verstoße gegen § 8 Abs. 1 VerG und ist daher gesetzeswidrig.
In weitere Folge musste noch beurteilt werden, ob die gesetzeswidrigen Vereinsstatuten nichtig gemäß § 879 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) sind. Nichtigkeit liegt dann vor, wenn gegen ein Gesetz verstoßen wird, das dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit dient. Schutzzweck von § 8 VerG ist vor allem die Entlastung der ordentlichen Gerichte von Prozessen in Vereinssachen, was ein Allgemeininteresse darstellt. Die in Frage stehende Bestimmung der Vereinsstatuten war daher nichtig; das Vereinsschiedsgericht hätte sich nicht unter Berufung auf diese Bestimmung für unzuständig erklären dürfen. Darüber hinaus hätte der Vorstand auch nicht den Ausschluss des Klägers aus dem Verein beschließen können. Sehen die Vereinsstatuten vor, dass die von der Mitgliederversammlung zu bestellenden und abzuberufenden Organmitglieder Vereinsmitglieder sein müssen, so kann der an sich für den Ausschluss von Vereinsmitgliedern zuständige Vereinsvorstand ein Organmitglied als Vereinsmitglied so lange nicht ausschließen, als nicht die Mitgliederversammlung das Organmitglied aus dieser Stellung abberufen hat.
Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass der in der Vorstandssitzung vom 20.5.2021 beschlossene Ausschluss des Klägers aus dem Verein unwirksam war. Der Kläger hat mit dieser Beschlussfassung nicht aus der Position eines Vorstandsmitglieds enthoben werden können, weil der Vorstand das unzuständige Organ hierfür ist. In weiterer Folge geht auch die Beschlussfassung der Generalsversammlung vom 7.7.2021 ins Leere. Die Wirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses scheiterte auch daran, dass mit der dem Kläger bloß fünf Minuten gewährten Redezeit sein rechtliches Gehör verletzt wurde und kein faires Verfahren gegeben war.