Drum prüfe wer ein Posting teile
Ein Video des Polizisten wurde mit folgendem – einen Aufruf zur Beteiligung an einem Shitstorm enthaltenen – Begleittext auf Facebook veröffentlicht: „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in I*. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und Stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.“
Der Beklagte teilte in weiterer Folge einen Screenshot des Videos samt dem Begleittext auf seinem Facebook-Profil um seinen Unmut kund zu tun. Die Beiträge auf dem Facebook-Profil des Beklagten sind weltweit aufrufbar. Der Kläger war (trotz) Uniform und Atemschutzmaske auf dem Screenshot erkennbar und wurde von Freunden und Arbeitskollegen auf das Posting angesprochen. Zudem wurde er in der Region, in der er mehrere Jahre als Polizist tätig und ins gesellschaftliche Leben integriert war, von Leuten auf den Beitrag angesprochen, und zwar für die Zeit von rund einem halben Jahr. Der Beitrag – den der Beklagte selbst wieder löschte – war jedenfalls sechs Tage online.
Der OGH befasste sich mit der Frage, inwieweit dem Kläger aufgrund eines Shitstorms im Internet unter Verletzung von Daten- und Bildnisschutz immateriellen Schadenersatz zusteht und betonte zunächst, dass der Kläger das ihm widerfahrene Ereignis zutreffend als „Shitstorm“ bezeichnete. Ein Shitstorm („Sturm der Entrüstung im virtuellen Raum“) entsteht durch das Zusammenwirken vieler Menschen. Erst bei Beteiligung einer für den Betroffenen zumeist nicht oder jedenfalls nicht exakt erfassbaren Menge an Teilnehmenden kann von einer „massenhaften, im Internet geäußerten Empörung“ gesprochen werden. Darin liegt auch die besondere Wucht eines solchen Ereignisses, weil das Ziel des Shitstorms nicht bloß von einer Person, sondern „hagelartig“ von vielen Menschen in Form einer zumeist anonymen Masse angegriffen wird. Ein einzelner kann einen Shitstorm also allenfalls starten, mitverursachen oder sich daran beteiligen, alleine bewirken kann er ihn jedoch nicht.
Hinsichtlich der (diffizilen) Frage der Kausalität hielt der OGH fest, dass es für die Bejahung einer solchen und damit auch der Bejahung der Haftung einer einzelnen an einem Shitstorm beteiligen Person nicht darauf ankommt, ob der Kläger bei jeder von ihm erlittenen Gefühlsbeeinträchtigung, der ihm bekanntgewordenen Konfrontationen oder der Reaktionen die konkrete „Quelle“ der herabsetzenden Äußerung in Bezug auf den in Anspruch genommenen einzelnen „Poster“ als deren Ursache benennen und nachweisen kann. Vielmehr genüge der Nachweis des Klägers, Opfer eines Shitstorms geworden zu sein und dass sich der Beklagte an diesem rechtswidrig und schuldhaft beteiligt hat. Das „Unaufklärbarkeitsrisiko“ tragen die Schädiger, die gegenüber dem Geschädigten solidarisch für den gesamten Schaden haften.
Daraus folgt: Wer sich an einem Shitstorm beteiligt, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss. Das Risiko der Uneinbringlichkeit und die Schwierigkeit, andere Schädiger ausfindig zu machen, ist damit im Wesentlichen auf die Schädiger verlagert, welche zumindest teilweise untereinander vernetzt sind und – im Gegensatz zum Geschädigten – auch ungleich leichter die Anzahl der Schädiger eruieren und den Schaden im Regressweg untereinander aufteilen können.